Bilder aus der bewohnten Welt

Zu einem Kunstwerk von Cordula Güdemann

von Andreas Mertin

[ in: religion unterrichten. II/2004]

Bilder aus der bewohnten Welt …

Die Bilder von Cordula Güdemann, Professo­rin für Malerei an der Hochschule für Bilden­de Kunst in Stuttgart, lassen einen nicht unbe­rührt. Sie kom­men einem zunächst entgegen, insofern sie so organisiert sind, dass man sie "Lesen" und "Deuten" kann. Der intuitiven Annäherung folgt dann die Ernüchterung, denn die Werke er­wie­sen sich als verrätselt: was zunächst wie ein einfaches Bild wirkt, wird immer komplexer, was zunächst wie eine bestimmte Weltsicht aussah, erweist sich als mehrfach gebrochenes Bild vom Bild der Welt in der Bilderwelt. Cordula Güdemann hat auf ihrem Bild­zyklus Bilder aus der bewohnten Welt die Lösung formaler malerischer Probleme mit der Auseinandersetzung mit der Welt verbunden, mit Stellungnahme zu all-täglichen und außergewöhnlichen Ereignissen, aber auch dem Blick auf die Banalität des Alltags. Güdemanns Arbeiten sind organisierte 'Bildstörungen'. Sie rücken auf überraschende, oft provozierende Weise Bruchstücke aus unserer Weltwahrnehmung in den Blick. Da treffen sich prominente Politiker im Affengehege, gehen Hochhausparzellen im Meer der Ödnis treibend unter, verliert sich ein Kind im Dschungel des Häuserbetons. Dazwischen eine Stehparty, auf der graue Leute ihr Spiel spielen. Zugleich ist alles nur noch medial gebrochen, das heißt in der Fens­ter­per­spek­ti­ve oder im je spezifischen Rahmen wahrnehmbar, alles bleibt nur partikular. Nur durch einen Bildausschnitt wird Wirklichkeit erfasst, der Einzelne wie die Gesellschaft verfügen nur noch über Blickwinkel und haben keine Gesamtsicht mehr. „Moral ist keine Qualität in der Malerei und Ironie ein Mittel der Literatur. Cordula Güdemann bringt es fertig, in ihrer Malerei eine Distanz herzustellen, die die riskante Span­nung zwischen Moral und Ironie in die Ästhetik des Bildes überträgt“ schreibt Klaus Gallwitz zu diesen Werken. Jeder, der auf diese Arbeiten stößt, muss sich mit ihnen formal wie inhaltlich auseinandersetzen. Dann aber stößt er auf gesellschaftliche Gehalte, Brechungen von Wirklichkeiten, in der Konstruktion der Werke sich äußernde bissige Kommentare, unerbittliche Stellungnahmen zur Trivialisierung der Lebenswelten wie zum Inszenierungstheater des Politischen.

… im Religionsunterricht

Religionsunterricht ist kein Kunstunterricht – daher geht es in der Auseinandersetzung mit den Arbeiten von Cordula Güdemann nicht um das Verstehen von Kunst an sich. Religionsunterricht ist aber Einübung in eine religiöse Deutungspraxis der Welt und daher auf alle jene Erscheinungsformen angewiesen, die es im Kern mit kultureller Zeitgenossenschaft zu tun haben. Dabei ist es ein Missverständnis, dass nur das im Religionsunterricht nur von Interesse ist, das Religion zum Inhalt hätten. Tatsächlich ist Religion auch Auslegung der Welt und will im Verbund mit anderen kulturellen Auslegungspraktiken ein- und ausgeübt werden. An den Arbeiten von Cordula Güdemann kann das erfahren werden. Wie nehmen wir die Welt, die für uns oft nur noch als Bilderwelt existiert, wahr? Was ist die Realität der „bewohnten“ Welt – was ist wichtig, was richtig, was trivial und banal? Inwiefern hat das öffentliche wie das private Leben nur noch Schau-Seiten und keine Bedeutung mehr? Wenn dieses Bild ein Paradigma unseres (gesellschaftlichen) Lebens wäre, was würde das besagen?

Verweise

Die Künstlerin ist mit einigen ihrer Arbeiten im Internet auf einer eigenen Website vertreten. Unter der Adresse www.cordula-guedemann.de findet man biografische Hinweise, die Werk­zyklen "Bilder aus der bewohnten Welt", "La dolce vita", "Friedensengel" sowie Abbildungen einiger Zeichnungen. Für eine erste Annäherung ist damit bereits viel Material vorhanden.

Zuletzt bearbeitet 07.11.2008
© Andreas Mertin