Loser und User

Eine Glosse über den Un-Sinn einer "christlichen" Suchmaschine

von Andreas Mertin

[Originalbeitrag]

Matthäus 7,7

Vor kurzem wurde gemeldet, dass die Fachzeitschrift "medien praktisch" des Gemeinschaftswerks Evangelische Publizistik von diesem eingestellt wurde, weil kein Geld für den Weiterbetrieb dieser Zeitschrift, die weit über die Kirche hinaus ein außerordentliches Renommee in ihrem Fachgebiet hatte und zum unentbehrlichen Handwerkszeug jedes Medienpädagogen gehörte, vorhanden war.

Das Gemeinschaftswerk für Evangelische Publizistik stellt aber nicht nur Angebote ein, es eröffnet auch neue. So etwa die "christliche Qualitätssuchmaschine" crossbot. Diese, in Verbindung mit dem Suchmaschinenbetreiber Abacho entwickelt, ist eine Mischung aus Katalog und Suchmaschine und soll - anders als säkulare Suchmaschinen - vor allem auf "christliche" Seiten verweisen.

Mich interessiert im Folgenden vor allem der Sinn und Un-Sinn einer derartigen sich "christlich" nennenden Suchmaschine aus dem Bereich der evangelischen Kirche. Denn schon eine Qualifikation als "christlich" hat auf evangelischer Seite bestimmte höchst problematische Implikationen, die mit der Geschichte des Protestantismus zusammenhängen. Faktisch wird damit nämlich insinuiert, Seiten, die von Kirchengemeinden, Theologen oder religiösen Institutionen betrieben werden, seien christlicher als etwa die Seiten einer Bäckerei oder eines Taubenzüchtervereins. Diese merkwürdige Vorstellung einer Dichotomisierung von christlich und profan dürfte theologisch wohl kaum zu halten sein.

Sirach 11,20

Gerade die Reformation ist mit ihrem Berufsbegriff gegen die Vorstellung angetreten, es gäbe Verhaltensweisen, die gegenüber dem "normalen" Beruf verdienstvoller, sprich: christlicher wären. In den unnachahmlichen Worten Martin Luthers: "woher es dann kommt, dass eine fromme Magd, wenn sie auf Befehl hingeht, den Hof kehrt oder Mist austrägt, oder ein Knecht, der in gleicher Meinung pflügt und fährt, stracks zum Himmel geht, während ein anderer, der zu St. Jacob oder zur Kirche geht, aber sein Amt und Werk liegen lässt, stracks zur Hölle geht" (WA 10 I, 310). Was crossbot zusammenträgt, ist nun nicht notwendigerweise alles Höllenwerk, aber es ist nicht christlicher als das, was etwa Google an ganz normalen Fundstellen bietet. Und schon gar nicht ist es qualitätsvoller. Wer sich ein wenig etwa im Bereich der Kirche auskennt, weiß, dass die Empfehlungen, die dort im Blick auf Qualität gegeben werden, allzu oft nur das schiere Gegenteil indizieren. Über das Epitheton "christlich" im Zusammenhang diverser Dinge (christliche Seefahrt, christliche Kunst, christlicher Kuchen, christliche Suchmaschinen) kann man lange nachdenken, in der Regel ergibt es keinen Sinn.

Schaut man sich nun aber das Angebot von crossbot genauer an, dann fällt zunächst der penetrante Verweis auf die Seiten des Betreibers auf, sprich: die Seiten der EKD. Das ist schon peinlich! Selbst wenn man Worte eingibt, die auf den EKD-Seiten überhaupt nicht vorkommen, wird man mit Verweisen auf diese beglückt. Dann sollte man das Ganze doch als das bezeichnen, was es ist: eine Werbeseite für die Institution EKD! Der Nutzer, der eine Suchseite ja dazu nutzt, aus der Vielzahl der Angebote im Netz das für ihn am besten Passende herauszufinden und der natürlich weiß, dass dies nicht immer auf den Seiten der EKD zu finden ist, wird sich wundern und dann verärgert abwenden.

Als zweites fällt auf, dass das Angebot selbst im Bereich des Religiösen mehr als spärlich ist. Im Katalog ist beim Start des Systems am 1. August 2003 fast jede zweite Seite leer. Das heißt: es ist zwar ein Karteireiter eingerichtet, aber auf der Karteikarte steht nichts. Das erinnert schon sehr an das "Under construction"-Feeling vieler Homepages im Internet. Bleibt zu hoffen, dass sich das schnell ändert.

Matthäus 6,3

Für kirchliche Nutzer bietet crossbot nun an, die Suchfunktionalität auf die eigene Website übernehmen zu können. Durch Einbau eines simplen HTML-Codes kann man crossbot auf die eigenen Seiten "entführen", ja man kann darüber hinaus crossbot sogar als Suchmaschine für die eigenen Seiten verwenden. Für diesen Service, den man schon des längeren bei Google, aber auch bei Freefind u.a. erhalten kann, ist der Neuling crossbot aber nicht ganz unbescheiden. Zwar kann man den Service unentgeltlich nutzen, wird dann aber doch um eine Spende gebeten. Ganz allgemein werden für die Nutzung der allgemeinen Suchfunktion auf der Webseite 10 Euro erbeten! Bedenkt man, dass man so ja nicht die Fülle des Angebots, sondern nur eine auf so genannte christliche Seiten spezialisierte Auswahl bekommt, ist das nicht gerade wenig. Die Kirche erweist sich so als ein weiterer Motor in der fortschreitenden Kommerzialisierung des Internets. Wer hingegen crossbot als Suchmaschine im Blick auf das eigene Webangebot nutzen will, wird gleich richtig zur Spendenkasse gebeten: 35 Euro im Jahr bei kleinen Websites, 150 Euro im Jahr bei Kirchenkreisen, bei überregionalen Werken traut man sich die Spendenforderung erst gar nicht offen zu benennen. Wer sein eigenes Logo statt das der EKD in die Ergebnisseite einbinden will, muss gleich weitere 30 Euro abdrücken. All dies ermöglicht ein Anbieter wie Freefind kostenlos, zudem mit zahlreichen weiteren Features wie einer zielgenauen Indexierung, einem wöchentlichen und monatlichen Bericht der eingegebenen Suchbegriffe und vielem mehr. Ich empfinde es als merkwürdig, dass die Kirche in einem Bereich, in dem nun wirklich ein gut funktionierendes Marktangebot vorhanden ist, eine künstliche und für die sie nutzenden Gemeinden unnötig teure Konkurrenz aufbaut. Und eigentlich wird ja erst umgekehrt ein Schuh daraus, denn nur wenn viele crossbot in ihren Webauftritt integrieren, kann das Angebot eine gewisse Funktionalität entwickeln. Dann dürfte man die Kunden aber nicht mit unsinnigen Bitten abschrecken.

1. Thessalonicher 5, 21?

Theologisch berührt mich vor allem die eigentümliche Logik, die hinter diesem Angebot steckt. Ist es falsch zu vermuten, dass sich hier so etwas wie eine christliche Wagenburg- oder Ghetto-Mentalität artikuliert? Ist es denn so, dass die Kirche bei den normalen Suchmaschinen nicht ausreichend zur Geltung kommt? Findet man die Seiten kirchlicher und religiöser Betreiber nicht? Oder gehen sie, was wahrscheinlicher ist, im Angebot konkurrierender Anbieter unter? Will man deshalb verhindern, dass Gläubige andere religiöse, vielleicht auch zweifelhafte Angebote bei einer Suchmaschine finden? Dann liefe das Ganze auf eine Art Entmündigung der Gläubigen hinaus, denn crossbot erläutert ja nicht, nach welchen Kriterien es Angebote empfiehlt bzw., was viel wichtiger ist, nach welchen Gesichtspunkten es Seiten aussiebt. Die konkrete Frage muss daher lauten: Was zeigt crossbot nicht an, was andere anzeigen? Hier ergeben sich viele Fragen.

Grundsätzlich aber gilt: Anders als ein fach- und berufsspezifisches Angebot wie das rpi-virtuell, das sich aus einsichtigen Gründen für die Arbeit im religionspädagogischen Bereich geradezu aufdrängt, fragt man sich bei einer christlichen Suchmaschine natürlich: Warum? Wozu?

Sicher ist es übersichtlicher, wenn ich alle religiös belangvollen Informationen auf einer Seite finde, aber dann muss dieses Angebot auch besser als jedes andere sein, ja es muss geradezu unentbehrlich sein Und genau das ist crossbot eben nicht und wird es auf absehbare Zeit auch nicht sein. Schon die Einstiegsseite ist gegenüber der Verzeichnisseite von Google so unübersichtlich, dass man schnell die Lust am Stöbern verliert.

Prediger 3, 12

Aber lustig ist es dennoch ab und an.

Wer wissen möchte, wie viele kirchliche Seiten gedankenlos mit Profi-Programmen programmiert wurden, braucht bei crossbot nur einfach das Wort GoLive einzugeben und schon werden all jene Seitentitel benannt, die die schöne Zeile "Willkommen bei GoLive" als Willkommensgruß tragen, weil derjenige, der die Seite zusammengestoppelt hat, keine Titelzeile eingegeben hat. Ähnliches funktioniert auch mit "Unbenanntes Dokument", was Frontpage 4 als Seitentitel vorgab und was bei crossbot zu einer Fülle von Dokumenten vor allem aus dem katholischen Bereich führt. Warum die Katholiken auf ihren Seiten bei kath.de als Seitentitel "unbenanntes Dokument" bevorzugen ist eine Frage für künftige Exegeten oder heutige Geheimniskrämer.

Ebenso lustig wird es, wenn crossbot nach dem Suchwort "Mose" befragt wird und als geeignete Kategorien dafür zwei Karteireiter zum Thema Homosexualität vorschlägt. Das ist zwar noch besser als die Suchmaschine von Abacho selbst, die hier gleich wegen ihrer Nichtberücksichtigung von Umlauten pornografische Seiten empfiehlt, aber dennoch ist die Kategorienwahl falsch und irreführend.

Matthäus 7, 20

Insgesamt ist die Idee einer Suchmaschine der EKD nicht unsinnig. Sie sollte übersichtlicher sein, die Spendenakquirierung etwas weniger aufdringlich betreiben, und vor allem das Epitheton "christlich" zurückhaltender im Munde führen. Ob etwas christlich ist, erweist sich allenfalls in der konkreten Durchführung. Erfolgreich wird crossbot sein, wenn es die Webseitenbetreiber von der Funktionalität überzeugen kann, wenn es - wie andere Suchmaschinen auch - Service über die reine Recherche hinaus bietet. Und natürlich: wenn das Material an Fundstellen größer geworden ist als zur Zeit.


© Andreas Mertin, Hagen 2003