E-Learning
Eine Herausforderung für klassisch kirchliche Bildung?
von Andreas Mertin
[Originalbeitrag]
Klassisch kirchliche Bildung
Blickt man auf die Geschichte der klassischen religiösen Bildung im Protestantismus, dann kann man zunächst vor allem in den Katechismen erste systematische Formen allgemeiner religiöser Bildung erkennen. Katechismus, so belehrt uns der Brockhaus, sei "seit dem 16. Jahrhundert ein (kurz gefasstes) formal meist in Frage- und Antwortform aufgebautes Lehrbuch über die Grundlehren und -tatsachen des christlichen Glaubens zur Unterweisung in Familie, Kirche und Schule. Bedeutend sind Luthers großer und kleiner Katechismus (beide 1529), für die reformatorischen Kirchen der Heidelberger (1563) und der Genfer Katechismus (1545)". Bis weit ins 20. Jahrhundert waren die Katechismen in den Familien präsent. Und der Brockhaus informiert uns daher zu Recht darüber, dass die pädagogischen Maßnahmen der Reformatoren durchaus wirksam waren: "Bibel und Katechismus prägten fortab den Schulunterricht. Tägliche Bibellektüre wurde üblich. Mit neun oder zehn Jahren schon sollte der Christenmensch das ganze Evangelium kennen. Und so geschah es, mindestens bis ins 18. Jahrhundert hinein", also bis zur durchgehenden Privatisierung der Religion.
Ein weitaus umfangreicheres Werk war Johannes Calvins "Institutio Christianae Religionis" (= Unterricht in der christlichen Religion), in dem dieser eine auf der Vernunft basierende, an den Artikeln des Apostolischen Glaubensbekenntnisses orientierte biblische Theologie entwerfen wollte. Auch dieses Werk war vor allem im Blick auf die nordatlantische reformierte Tradition außerordentlich wirksam. Eine moderne Folge dieser Unterrichtswerke sind der Evangelische und Katholische Erwachsenenkatechismus, die kompendienartig und doch weitgehend in verständlicher Form den Gläubigen die zentralen Gehalte christlichen Glaubens nahe zu bringen suchen.
Schon in reformatorischen Zeiten war die Lehre nicht an das Wort allein gebunden, sondern wurde unter Einsatz aller verfügbaren Medien vermittelt. Gerade die Auseinandersetzungen in der Zeit der Reformation zeichnen sich durch eine konsequente und wirkungsvolle Ingebrauchnahme aller verfügbaren Medien und Vermittlungssysteme aus.
Kirchliche Bildung im Netz?
Man kann nun absolut nicht sagen, dass der Innovationsfreundlichkeit des Protestantismus und in der Folge auch der katholischen Religion im 16. Jahrhundert eine ebensolche in der Gegenwart im Blick auf die Neuen Medien entsprechen würde. Wie schon zunächst beim Film im letzten Jahrhundert, so wird auch beim Computer und dem Internet am Ende des 20. und Anfang des 21. Jahrhunderts die Stimme der Kirche vor allem dann vernehmbar, wenn es zu warnen, abzuwehren, zu problematisieren gilt. Die bekannten Stichworte heißen (Kinder-) Pornografie, Gewalt, Rechtsradikalismus. Die Produktivität dieser neuen Kulturtechnik, die ja - wenn wir sie nur recht nutzen - geradezu revolutionäre Konsequenzen hat, wird nicht oder doch nur ansatzweise wahrgenommen. Jedenfalls findet sich etwas dem evangelischen oder katholischen Erwachsenenkatechismus Vergleichbares nicht im Internet. Hier sind die Kirchen ganz offensichtlich auch Opfer von Vermarktungsstrategien der mit ihnen kooperierenden Verlage, die Wissen und Bildung weiterhin an kommerzielle Verwertbarkeit und nicht an optimale Verbreitung koppeln.
Dabei kann man nicht sagen, dass die Religionen im Internet nicht präsent wären. Laut einer Kölner Studie gibt es inzwischen mehr Seiten zum Thema "Religion" im Netz als zum Thema "Sex" - was natürlich nicht heißt, dass sich die Menschen mehr religiöse als erotische Seiten anschauen. Schaut man sich die religiösen Seiten im Netz genauer an, werden deren Stärken und Schwächen schnell sichtbar. Im Rahmen eines meiner medienpädagogischen Seminare an einem religionswissenschaftlichen Fachbereich hatte eine Studentin sich vor etwa zwei Jahren vorgenommen, mittels des Internets elementare Informationen über die Weltreligionen und ihre Stifter zu suchen. Als Minimum wollte sie ein Bild des Religionsstifters und eine grundlegende Einführung in den Glauben. Im Blick auf den Buddhismus und den Hinduismus stellte das überhaupt kein Problem dar. Man findet schnell Seiten im Netz, die den jeweiligen religiösen Kosmos beschreiben - und zwar sowohl in englischer wie deutscher Sprache. Und auch im Blick auf das Judentum fanden sich schnell exzellente Einführungen - zum Teil sogar von Kursen aus dem evangelischen oder katholischen Religionsunterricht erstellt. Fehlanzeige dagegen weitgehend im Blick auf den Islam und nicht zuletzt bei den christlichen Kirchen. Auf den Seiten der evangelischen und der katholischen Kirche fand die Studentin zwar Infos über die Notwendigkeit der Kirchensteuer, aber keine Einführung in den christlichen Glauben oder dem Medium angemessene Informationen über Jesus Christus. Ihr bestes Fundstück war eine Magazinausgabe der Evangelischen Kirche Bayerns, die vom Printmedium einfach ins Netz übertragen wurde, ohne irgendein Stück an Interaktivität oder Multimedialität hinzuzufügen. Seitdem hat sich wenig geändert. Zwar gibt es inzwischen so genannte Glaubenskurse im Netz, die aber mit den Möglichkeiten dieses Mediums wenig zu tun haben.
Die Verantwortung für dieses Defizit im Blick auf die Chancen religiöser Bildung im Internet sehe ich zur Zeit vor allem bei den Kirchen und ihren pädagogischen Instituten, weniger aber bei den Unterrichtenden des Faches Religion. Denn kaum jemand hätte die Entwicklung religionspädagogischen Engagements im Internet, die sich in den letzten 2½ Jahren vollzogen hat, wohl vorausgesehen. Waren 1998/99 vielleicht gerade 5% der Religionspädagogen online, sind es inzwischen sicher schon 90%. Natürlich ist diese Entwicklung auch dem enormen Druck zu verdanken, den Politik und Wirtschaft auf die einzelnen Lehrer in den vergangenen Jahren ausgeübt haben. Was mir allerdings in der veröffentlichten Meinung fast symptomatisch zu sein scheint, ist die Verachtung der praktizierenden (Religions-) Pädagogen. Analog zur beliebten Medienmeme, in Fragen der Neuen Medien müssten inzwischen Schüler ihre Lehrer unterrichten, wird den Pädagogen pauschal Angst vor Neuen Medien unterstellt. Und das nur, weil sie sich nicht gleich reflexhaft darauf gestürzt, sondern erst einmal über den Nutzen nachgedacht haben. Die Schüler werden dagegen als höchst interessiertes Potenzial einer neuen Wissenserkundung dargestellt. Nichts ist der Praxis ferner. Ich habe in den letzten Jahren mehr als 1000 Lehrer aller Bildungsgänge im Umgang mit dem Internet (im Religionsunterricht) ausgebildet und kann nur sagen, dass das gezeichnete Bild des internet-ängstlichen Lehrers im Gegensatz zu den internet-freundlichen Schülern absolut unzutreffend ist. Es trifft weder pauschal auf ältere Lehrer und schon gar nicht auf die Generation der heutigen Referendare zu. Tatsächlich kann eine Vielzahl der Unterrichtenden auf praktische Erfahrungen mit dem Internet im Rahmen ihrer Arbeit zurückgreifen.
Ihre Erfahrung ist dabei allerdings eine ganz andere, als sie manchem Vertreter der Neuen Medien lieb wäre. So schreibt der der Bewahrpädagogik sicher unverdächtige Rolf Sachsse [Professor für Photographie und elektronische Bildmedien an der Fachhochschule Niederrhein in Krefeld] über die Nutzung des Internets: "Die verfügbare Datenmenge ist explodiert, das Interesse am Finden von Materialien jedoch implodiert, die Kritikfähigkeit zur Bewertung von Themen und Texten hat sich asymptotisch dem Nullpunkt genähert." Und genau das ist die Herausforderung vor der heutige Pädagogen angesichts des Internets stehen und mit dem sie fertig werden müssen. So ist es eine alltägliche Erfahrung, dass inzwischen die Informationsbeschaffung die Informationsbewertung verdrängt hat. Das Problem besteht im menschlichen Verhalten, immer den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, d.h. im vorliegenden Fall, jeweils die Quelle zu suchen, die am bequemsten zugänglich ist, statt sich der Mühe zu unterziehen, aus der Fülle des Angebots die beste Quelle zu suchen: "Wenn ein System ... Quellen leicht zugänglich macht und diese womöglich noch oberflächlich oder niveaulos sind, kann es der Forschungsqualität ernsthaften Schaden zufügen, indem die Nutzer dazu ermutigt werden, es bei den erreichbaren Informationen bewenden zu lassen, ohne auf deren Wert und Vollständigkeit zu achten." (Th. Mann)
Schritt 1: Die religionspädagogische Datenbank RELIWEB
Seit längerem gibt es zahlreiche Versuche von Lehrern, dieses Problem in den Griff zu bekommen. Ein erster Schritt war mit www.zum.de die Zentrale für Unterrichtsmaterialien, ein Zusammenschluss von Lehrern aller Fächer, die das im Netz vorhandene Material in Listen zusammentrugen und lehrplanspezifisch Angebote zusammenstellten. Anfangs bestand das Problem darin, überhaupt etwas im Netz zu finden, die Angebote waren noch spröde, selten multimedial aufbereitet und wenig ansprechend. Man war zufrieden, wenn man hier ein gutes Abendmahlsbild, dort einen interessanten Text und da eine abgelegte Examensarbeit fand. Als sich dann das Online vorhandene Material mehrte und man zwischen gut und schlecht unterscheiden konnte und musste, kam die Stunde der spezialisierten Datenbank Reliweb (www.reliweb.de). Auch dies war ein Zusammenschluss von Lehrern, diesmal ausschließlich des Faches Religion, die eine Art Restaurantführer für religionspädagogisch bedeutungsvolle Netzadressen zusammenstellen wollten. Bei religionspädagogischen Fortbildungen äußern inzwischen mehr als 2/3 der Teilnehmer, dass sie das Internet für die Unterrichtsvorbereitung mehr oder weniger intensiv mit einbeziehen. Diesem Interesse diente bis vor kurzem das Reliweb, in dem es den Spreu vom Weizen trennte.
Heute, drei Jahre nach Gründung des Reliweb, scheint die Herausforderung vor allem darin zu bestehen, unter vielem differentem Guten (und natürlich unendlich viel mehr Schlechtem) das Passende zu finden. Allein von September 2000 bis April 2001 stieg die Zahl der Nutzer des Internets in Deutschland um 50%. Gleichzeitig steigt die Zahl der Webadressen und der Homepages. Das Angebot ist so überwältigend geworden, dass Übersicht auch mit der besten Datenbank kaum noch zu erlangen ist. Denn spätestens dann, wenn die Eingabe des Stichwortes "Tod" so viele gute Ergebnisse zeitigt, dass man wiederum mit der Sichtung mühsam von vorne beginnen muss, zeigen sich die Grenzen des Verfahrens. Mit anderen Worten: Wenn der Restaurantführer zu viele Fünf-Sterne-Restaurants ausweist, beginnt die Qual der Wahl von neuem. Je erfolgreicher eine Datenbank oder Suchmaschine also ist, desto schwieriger wird es für den Anwender. Vor einem Jahr reichte es, religionspädagogische Nutzer auf die Datenbank reliweb zu verweisen und sie konnten dort die besten Adressen zum jeweiligen Thema finden. In absehbarer Zeit jedoch wird die Suche etwa zum Thema "Tod" so viele gute Treffer ergeben wie im Herbst 1999 insgesamt als Webseiten zum Thema aufzufinden waren. Und dann beginnt die Suche von Neuem. Wie kann man dem begegnen? Zum einen kann man die Bewertung verfeinern. Man kann eine größere Abstufung wählen oder zusätzliche Kriterien einführen, etwa nutzerorientierte Hilfsmittel wie User-Rankings. Sie lösen das Problem aber nur temporär und unbefriedigend, wie man an vergleichbaren Rankings bei Kinofilmen erkennen kann. Sie sind zum einen oft zeitgeistgesteuert und zum anderen differieren die Wertungen der aktiven Nutzer von den nur passiv eine Datenbank auswertenden Nutzern.
Schritt 2: Das religionspädagogische Bildungsportal RPI-virtuell
Das nun mit Unterstützung der EKD entstehende virtuelle religionspädagogische Institut ist der zweite Schritt zur religiösen Bildung im Netz. Zwar ist es zunächst auch wiederum nur "von und für alle mit religiöser Erziehung und Bildung Befassten in Schule und Gemeinde im deutschsprachigen Raum" konzipiert. Es erleichtert aber durch zahlreiche Funktionen den Einsatz des Internets in Bildungsprozessen. Durch Studienzimmer, die Lehrer sich einrichten können, durch Foren und Werkstätten wird den Unterrichtenden eine Plattform angeboten, auf die sie für die Unterrichtsgestaltung - und eben nicht nur für die Unterrichtsplanung - zugreifen können. Das ist ein außerordentlicher Fortschritt.
Dieser liegt nicht zuletzt darin, dass durch die deutschlandweite institutionelle Anbindung (in Gestalt der EKD) auch Informationen und Datenbanken in das Portal einfließen, die bisher nicht zur Verfügung standen oder separat aufgesucht werden mussten. Nun aber ergeben sich für die Unterrichtenden interessante Synergieeffekte, insofern sie von einer Datenschnittstelle die Datenbanken des Reliweb und des Comenius-Instituts sowie zahlreiche Zeitschriften und Literaturverzeichnisse abfragen und nutzen können. Zugleich wird das alte Reliweb als spezifische Zugangsadresse für Schüler aufgebaut, denn diese sollen ja in der Regel nicht Zugriff auf Lehrermaterialien, sondern auf für sie geeignetes und aufbereitetes Lernmaterial haben.
Trotz dieser positiven Entwicklung muss man dennoch sagen: wirklich ausgereifte Modelle religiöser Bildung im Netz gibt es kaum. Offline-Lehren mit Online-Hilfe ist der Normalfall. Für religiöse Bildungsprozesse zu Beginn des 21. Jahrhunderts scheint mir das immer noch zu kurz gegriffen. Unbestreitbar ist, dass die Zielgruppe der Unterrichtenden eine Plattform im Netz braucht, bezweifelbar ist aber, ob die pragmatisch vollzogene Zielgruppenbindung sinnvoll ist.
Die Herausforderung: Bildungsdiskussion und Qualitätssicherung
Die nächste Herausforderung, die auf die Kirchen zukommt, ist die Erörterung zeitgemäßer Bildungskonzepte im Netz. Mit inhaltlichen Bildungsdiskussionen verbindet das virtuelle Institut noch wenig. Es lagert diese Diskussion aus, indem sie zugleich den Diskutierenden die Möglichkeit einräumt, ihre Diskussion auf der Plattform abzulegen. Statt dessen müsste ein virtuelles Institut aber Diskussionen initiieren! Daher ist das virtuelle Institut in seiner jetzt geplanten Form eine pragmatisch sinnvolle, aber noch keine umfassend befriedigende und zukunftsweisende Lösung. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.
Die zweite Herausforderung, die auf das im Aufbau befindliche virtuelle RPI zukommt, ist die Qualitätssicherung. Dokumentiert wird zur Zeit, was Lehrer vermitteln und nicht unbedingt, was Religion lehrt. Abgemildert könnte man sagen, dass das aktuelle Angebot die Lehrpläne und die darüber hinaus gehenden Unterrichtswünsche der Schüler spiegelt, nicht notwendig aber die Gestalt der Religion in der Gegenwart. Qualitätssicherung wird durch Bewertung vorgenommen, die sich in der Regel aber auf Verwendbarkeit und nicht auf den Inhalt bezieht. Von der Qualität eines Angebots hängt aber auch seine Zukunftsfähigkeit ab.
Der nächste Schritt: E-Teaching
Daher dürfte ein virtuelles religionspädagogisches Institut nicht nur gutes Material sammeln und bewerten - das tut ja auch ein reales RPI bzw. PTI nur am Rande -, sondern es müsste, wie jedes andere reale Institut auch, vor allem anbieten, das heißt lehren. Und wenn es erkennbar Defizite im bisherigen Lehr-Angebot gibt, müssten die Studienleiter sich hinsetzen und entsprechende Angebote erstellen oder erstellen lassen.
Denn würde es zum Beispiel thematische Klassenzimmer geben, die nicht nur aus Verlinkungen, sondern aus einem konkreten Lehrangebot bestehen, dann müsste sich nach und nach eine aktuelle Onlineversion der Institutio christianae religionis ergeben, eine qualitativ vertretbarer, multimedial aufbereiteter "Katechismus" in zeitgemäßer Form. Das hätte den Vorteil, dass das Institut über den engeren Kreis der Lehrer und Schüler hinaus für jeden religiös bzw. am Christentum Interessierten eine lohnende Adresse würde. Religion lehren und lernen würde zu einem dauerhaften prozessualen Geschehen.
Dabei kann es gar nicht darum gehen "die" Lehre darzustellen - was immer das auch sein sollte. Zumindest im Rahmen eines fröhlichen protestantischen Pluralismus war Divergenz und Streit immer auch eine kulturelle Tugend.
In einem thematischen Klassenzimmer könnte also zwischen verschiedenen Lehrern (auch verschiedener Konfessionen und Religionen) vehement zum Beispiel über das Gottesbild gerungen werden. Das beste Argument etwa für oder gegen die Verabschiedung eines theistischen Gottesbildes soll dann die Besucher überzeugen und zugleich zur Diskussion einladen. Gerade an der Auseinandersetzung über religiöse Fragen erweist und speist sich die Lebendigkeit von Religion. Genau das aber wäre das Ziel eines religiösen Bildungsinstituts im Internet.
Eine derartige Konzeption eines religiösen Bildungsportals gemäß der Idee eines religiösen "Lehrhauses" steht noch aus und muss schnellsten von den christlichen Kirchen angegangen werden. Denn nichts geändert hat sich seit Herbst 1999 an dem Tatbestand, dass wesentliche religiöse Inhalte, die auch dem technischen Stand des Mediums Internet entsprächen, im Netz fehlen. Die Kirchen müssen nun Personal- und Sachressourcen zur Verfügung stellen, die E-Teaching im Netz möglich machen. Dies allein den Verlagen - und damit dem Markt - zu überlassen, scheint mir zu wenig.
Die Zukunft: E-Learning
Selbstgesteuertes Lernen in Sachen Religion ist etwas, das sich erst in ungefähren Konturen abzeichnet. Vor allem deshalb, weil technisch wie ökonomisch die Voraussetzungen noch kaum gegeben sind. Zur Zeit machen sie, wie Rudolf Sachsse schreibt, "jeden Ansatz von Interaktivität zum schlechten Witz: Wo sich ohnehin nur ein paar Schalter bedienen lassen, kleine Filmchen ablaufen - deren Vorführ-Software nicht ohne Grund 'Quick Time Movie' heißt - und das genauere Anschauen von Bildern mit demselben Ladevorgang verbunden ist, dessen Frustpotential mehrheitlich von Pornoseiten-Nutzern geteilt wird, da kommt keine Partizipation, kein Engagement, keine Einlassung auf, von 'studium' ... schon einmal gar nicht mehr zu schreiben." E-learning ist zur Zeit etwas, das Phantasie freisetzen und so die technische und pädagogische Entwicklung vorantreiben kann.
Das zweite Problem selbstgesteuerten Lernens mittels Neuer Medien ist das noch fehlende Bewußtsein der kirchlichen Stellen von der möglichen Bedeutung des E-Learnings und ihrer Konzentration auf die face-to-face-Kommunikation. E-Learning setzt aber für die Bereitstellung und Aktualisierung des Materials noch einmal erheblich mehr an Personal und Material voraus.
Das dritte und gravierendste Problem ist die Subjektivierung und Privatisierung der Religion, die so etwas wie eine Selbsteinschätzung in Sachen Religion schwierig macht. Selbstgesteuertes Lernen, so schreibt Karlheinz Rebel, "führt bei anspruchsvollen Inhalten, Aufgaben und Zielen ohne qualifizierte Voraussetzungen auf Seiten des Lernenden mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Lerndefiziten, fehlerbehafteten Kenntnissen und Misserfolgserlebnissen." Die Moderne unterminiert aber gerade diese Voraussetzungen durch den nahezu flächendeckenden Ausfall religiöser Sozialisation. Und eine Introspektion, die uns sagt, ich bin gerade auf Stufe drei der sechsstufigen Leiter religiöser Urteile, eine derartige Introspektion gibt es nicht. Voraussetzung für selbstgesteuertes Lernen wäre aber ein "Metawissen über das eigene Lernen zu erwerben und eine Art Bewusstsein über ablaufende Lern- und Denkprozesse zu erlangen". Ob und wie dies für religiöse Erfahrungsprozesse möglich ist, bedarf noch eingehender Untersuchung. Im Blick auf das für das Christentum notwendige kognitive Wissen, ist selbstgesteuertes Lernen über die Neuen Medien sicher denkbar. Ob dies für die ebenso konstitutive Gefühlsseite der Religion gilt, bleibt höchst fraglich. Vermittelt werden kann, was "jeder vernünftige, einigermaßen zum Verstehen befähigte und gebildete Mensch erfassen kann" - mehr aber (vermutlich) nicht.
|