Damit dürfte das Gebiet der Anthropologie wenn auch nicht umfassend, so doch zumindest annäherungsweise umschrieben sein. Diesen Grundthemen der Anthropologie versuche ich mich nun mit (Ausschnitten aus) einigen populären Kinofilmen der letzten 40 Jahre anzunähern. Die ausgewählten Kinofilme sind: Im Auftrag des Teufels, Matrix, Odyssee im Weltraum, Die Verurteilten, der Alien-Zyklus, Das Netz und Gattaca. Nicht ganz zufällig sind die Mehrzahl der zu bearbeitenden Kinofilme Science-Fiction-Filme, denn in diesem Genre wird am häufigsten und vielleicht auch am intensivsten über die Spezies Mensch nachgedacht. Die gesamte Auswahl ist natürlich mehr oder weniger subjektiv, sie hängt von den Vorlieben und cineastischen Neigungen des Autors ab (und selbstverständlich von der Verfügbarkeit von Videokassetten). 4. Im Auftrag des Teufels - Der Mensch: Gottes auserwähltes Geschöpf?Inhalt: Der junge Kevin Lomax ist als Anwalt ein Gewinnertyp, er bringt jedem Mandanten den Freispruch. Und das unabhängig davon, ob er von dessen Unschuld überzeugt ist. Sein aktueller Fall ist der des Lehrers Gettys, der der sexuellen Belästigung einer Schülerin bezichtigt wird. In der Verhandlung erkennt Lomax, dass der Angeklagte das ihm zur Last gelegte Verbrechen tatsächlich begangen hat. Er unterbricht zunächst die Verhandlung, entscheidet sich dann aber für die Fortführung des Verfahrens und erreicht einen Freispruch, obwohl er dafür dem Mädchen noch einmal verbal Gewalt antun muss. Daraufhin wird er von dem Vertreter einer New Yorker Anwaltskanzlei angesprochen, welche ihn gerne verpflichten möchte. Lomax nimmt das Angebot an. Lomax' erster Fall ist eine Festnahme wegen einer rituellen Schlachtung einer Ziege, ein Prozess, den er spielend mit Berufung auf die Religionsgesetze gewinnt. Aufgrund der Arbeit vernachlässigt er seine Frau Mary, während er gleichzeitig von seiner jungen Kollegin Christabella fasziniert ist. Lomax bekommt den Auftrag, den Bauunternehmer Cullen gegen eine Anklage wegen dreifachen Mordes zu verteidigen. Während Mary immer mehr durchdreht, entscheidet sich Kevin gegen Mary und für den Job. Bei der Befragung der Alibizeugin des Bauunternehmers wird deutlich, dass auch dieser schuldig ist. Aber Lomax kann sich nicht entscheiden, nicht zu gewinnen und so wird der Angeklagte freigesprochen. Dann spitzt sich die Situation zu: Lomax erkennt, dass er für das Böse arbeitet. Milton, sein Chef, erweist sich als Satan, Christabella als Kevins Halbschwester, mit der er auf der Basis des freien Willens den Antichristen zeugen soll. In einem letzten Widerstandsakt erschießt sich Kevin und vernichtet so die Hoffnungen des Teufels. Urplötzlich befindet sich Lomax wieder in der vierten Filmminute. Diesmal entscheidet er sich für die Aufgabe des Prozesses. Dadurch droht ihm jedoch der Verlust der Anwaltslizenz, dem er nur entgehen kann, wenn ihn ein Reporter als Star groß herausbringt. Dieser Reporter trägt in der Schluss-Szene die Züge des Teufels.[7] Etwa in der Mitte des Films "Im Auftrag des Teufels" hält dieser eine drei Minuten dauernde pathetische Rede, auf der er die menschliche Existenz an der Jahrtausendschwelle beschreibt. Es ist eine vernichtende Bilanz, die nahtlos an anthropologische Ausführungen wie Tobias Brochers "Homo homini lupus - Die Zerstörung des Menschen"[8] anknüpfen kann. Der Teufel philosophiert an dieser Stelle über seinen Mitarbeiter Eddie Barzoon und dessen Haltung zum Leben. Während die Bilder parallel die letzten Sekunden im Leben dieses Menschen sehen, kurz bevor er beim Versuch, seiner wertvolle Uhr vor Obdachlosen zu retten, umgebracht wird. Eddie Barzoon, ha, ich habe ihm schon bei so vielen Problemen geholfen, zwei Scheidungen, ein Kokainentzug und eine schwangere Vorzimmerdame. Ein Geschöpf Gottes, he? Gottes auserwähltes Geschöpf! Und ich habe ihn gewarnt, Kevin, ich habe ihn immer und immer wieder gewarnt. Ich musste zusehen, wie er durch die Gegend torkelt wie 'ne Aufziehpuppe, klassischer Fall von purem Egoismus; die nächsten tausend Jahre stehen kurz bevor, Kevin. Eddie Barzoon, sehen Sie sich ihn an, denn er ist das Vorzeigemodell für das nächste Jahrtausend. Diese Leute! Es ist doch kein Geheimnis woher die kommen. Sie puschen den Appetit des Menschen hoch bis zu dem Punkt, wo er durch sein Wissen sogar Atome spalten kann. Sie bauen Egos auf so riesig wie Kathedralen. Mit Glasfasern schaffen sie Verbindungen in die ganze Welt, zu jedem x-beliebigen Egomanen. Sie fördern die dümmsten Träume, diese dollargrünen vergoldeten Luftschlösser, dass jedes menschliche Wesen ein erfolgreicher Börsenspekulant werden kann, sein eigener Gott werden kann. Und was kann man von da aus noch erreichen? Und während wir von einem Termin zum nächsten hetzen, wer hat da noch Zeit auf Mutter Erde zu achten? Während die Luft dicker wird und das Wasser saurer, sogar der Bienenhonig nimmt den metallischen Geschmack von Radioaktivität an, es wird immer schlimmer, schneller und schneller. Die Zeit der Vorbereitung ist abgelaufen, es heißt jetzt: Zukunft kaufen, Zukunft verkaufen, bis keine Zukunft mehr da ist. Alle rennen in dieselbe Richtung, wie die Lemminge, es gibt eine Milliarde Eddie Barzoons, die alle in die Zukunft joggen. Und alle von ihnen sind bereit, die Erde mit der Faust zu ficken, Gottes Ex-Planeten, und sich dann die Finger sauber zu lecken. Damit sie sich wieder brav ihren Computern zuwenden können, um ihre scheiß-verfluchten Überstunden einzutragen. Und dann schlägt die Realität zu: Du musst für alles bezahlen, Eddie; das Spiel läuft bereits zu lange, jetzt ist es zu spät; dein Bauch ist zu voll, dein Schwanz ist wund, deine Augen sind blutunterlaufen, du schreist um Hilfe, aber stell dir mal vor - es ist keiner da, du bist ganz allein, Eddie, du bist Gottes auserwähltes Geschöpf. Vielleicht ist es ja wahr, vielleicht hat Gott die Würfel einmal zu oft geworfen. Vielleicht hat er uns einfach hängen lassen? Im Unterricht wird es zunächst darum gehen, die Anklage Miltons gegenüber den Menschen des ausgehenden 2. Jahrtausends nachzuvollziehen. Ist das eine zutreffende Anthropologie? Oder nutzt der Teufel nur Elemente der christlichen Anthropologie um sein Vorgehen gegenüber Eddie Barzoon zu rechtfertigen? Welche Beschreibungen Miltons entsprechen den Welt- und Menschenwahrnehmungen der Schülerinnen und Schüler, in welchen Punkten gehen sie mit ihm konform? Welche Bedeutung hat die Frage nach der Natur, die Milton aufwirft? Und warum ist der Mensch so, wie Milton ihn beschreibt und welche Perspektiven bleiben ihm? 5. Matrix - Der Mensch: Ein Virus?Inhalt: Das Thema des Films ist die Entdeckung des Computerhackers Tom Anderson, genannt Neo, dass die Welt, in der er lebt, nicht real ist, sondern eine gigantische Simulation. Nach und nach erfährt er - kontaktiert von einer außerhalb der Simulation lebenden menschlichen Widerstandsgruppe -, dass infolge einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen Menschen und Maschinen am Ende des 21. Jahrhunderts die Maschinen die Welt beherrschen und die menschlichen Körper als Energiebatterien züchten. Damit diese menschlichen Batterien funktionieren, gaukeln die Maschinen ihnen eine virtuelle Welt vor: eben die vom Zuschauer im Kino als scheinbar real erfahrene Gegenwart des Jahres 1999. Einigen Menschen ist es gelungen, sich dem Zugriff der Maschinen zu entziehen und sie versuchen, die übermächtige Matrix zu zerstören und die Menschheit zu befreien. Dabei hoffen sie auf einen Erlöser, der ihnen von einem Orakel prophezeit wurde, und der in der Lage sein soll, sich der Matrix entgegenzustellen und sie zu vernichten. Der Anführer einer dieser Widerstandsgruppen - Morpheus - glaubt nun, in der realen Existenz des Computerhackers Tom Anderson diesen Erlöser gefunden zu haben. Er kontaktiert ihn, holt ihn aus der Simulation heraus, schult ihn in asiatischen Kampftechniken und bereitet ihn auf den finalen Kampf vor. Gegner der Widerstandsgruppen sind so genannte Agenten, eine Art Antivirenprogramm, welches nicht funktionierende und störende Elemente (= die Menschen, die sich nicht der Matrix einfügen wollen) vernichten soll. Die Realität außerhalb der Matrix sieht keinesfalls positiv aus: es ist eine zerstörte Welt ohne Sonnenlicht und ohne menschliche Wärme - geradezu das Gegenstück zur simulierten Existenz im Netz. Der sich daraus ergebenden Versuchung zurück zu den virtuellen Fleischtöpfen der Matrix erliegt einer der Widerstandskämpfer - Cypher (= Luzifer) - und verrät seine Kampfgenossen. Morpheus wird von Agenten gefangen genommen und im Rahmen seiner Befreiung kommt es zum großen Showdown. Die Stunde des Erlösers ist gekommen: er stirbt und erlebt seine Wiederauferstehung, um schließlich die Menschheit zu retten. Der gesamte Film Matrix[9] ist ein einziges Amalgam unterschiedlicher Ansichten vom Menschen und seiner Zukunft[10], sozusagen ein eklektizistisches Anthropologie-Puzzle. An und für sich lohnt es sich, den gesamten Film in Unterricht unter dem Aspekt seiner Auffassung und Lehre vom Menschen zu untersuchen. Aber es gibt auch herauslösbare Szenen, in denen sich die Figuren des Films Matrix expressis verbis zum Thema "Was ist der Mensch?" äußern. Wenn der Mensch nicht mehr Mensch, sondern nur noch virtuelle Projektion eines Menschen ist, hat er dann noch Menschenrechte, oder kann man ihn einfach abballern[11] (auch wenn das Rückwirkungen auf die reale Existenz hat)? In dieser Frage schließt sich Morpheus Carl Schmitts Freund-Feind-Schema an, wenn er ausführt, dass alle Menschen, die noch nicht auf der Seite der Befreier stünden, als potentielle Feinde (also als Agenten = Nichtmenschen) zu behandeln seien. Interessanter aber ist die Menschenphilosophie der Maschinen.[12] Im Rahmen des großen Showdown wird der Anführer der Rebellen, Morpheus, festgenommen und einem Verhör unterzogen. Dabei erläutert ihm Agent Smith (eine Art Antivirenprogramm) seine philosophische Anthropologie. Zunächst verweist er darauf, dass das erste Experiment der Maschinen mit den Menschen gescheitert sei, weil die Simulation zu perfekt gewesen sei. Die Menschen hätten auf einer Welt mit Unglück und Leiden bestanden.[13] Erst nach einer Änderung zu einer dementsprechenden Simulation seien sie zufriedengestellt gewesen. Was aber ist der Mensch? Nach der Auffassung des Agenten Smith ist die Spezies "Mensch" schwierig zu bestimmen, denn sie verhält sich nicht wie ein richtiges Säugetier, das heißt sie passt sich nicht der Umwelt an. Ihrem Verhalten analog sei eher das der Viren, die sich von Lebensraum zu Lebensraum auszuweiten trachteten. Der Mensch sei also de facto eine Krankheit.
6. Odyssee im Weltraum - Der Mensch: ein Werkzeuge nutzendes Tier?Inhalt: In grauer Vorzeit: Ein schwarzer Monolith landet auf der Erde und bringt den Menschenaffen die Intelligenz. Einer der Menschenaffen entdeckt die erste Waffe: einen großen Knochen, mit dessen Hilfe er einen Widersacher besiegt. Jahrtausende später: Dr. Heywood Floyd fliegt zur Mondbasis Clavius, wo im Krater Tycho ein schwarzer Monolith gefunden wurde, der offenbar von einer außerirdischen Macht stammt. 18 Monate später: Das Raumschiff Discovery ist unterwegs zum Jupiter. An Bord befinden sich die Astronauten Bowman und Poole; drei Wissenschaftler liegen im Kälteschlaf. Das sechste Besatzungsmitglied ist der als unfehlbar geltende Supercomputer HAL 9000, der sprechen kann und nahezu menschliche Gefühle entwickelt. Als HAL dennoch einen Fehler macht, versuchen Poole und Bowman ihn abzuschalten, was erst gelingt, als HAL Poole und die Wissenschaftler getötet hat. Dabei erfährt Bowman den geheimen Zweck des Unternehmens: die Spur der außerirdischen Intelligenz zu verfolgen, die vor vier Millionen Jahren einen Monolithen auf dem Mond eingegraben hat, dessen Strahlung auf Jupiter gerichtet ist. Im Jupiterorbit begegnet Bowman einem weiteren Monolithen, der ihn in eine Art Sternentor saugt und zu einem psychedelischen Trip durch Bewusstsein und Kosmos führt... Ein kurz gefasstes Lehrstück vom Menschen im Blick auf die Frage "Wo kommen wir her"? ist die 16 Minuten(!) umfassende Eingangssequenz von Stanley Kubricks "2001 - Odyssee im Weltraum"[14] aus dem Jahr 1968, dem Jahr der Mondlandung. Insofern die Abstammung des Menschen und seine Sonderstellung gegenüber dem Tier zu den elementaren Bestimmungen der Anthropologie gehört,[15] ist dieses berühmte Stück der Filmgeschichte ein guter Gesprächseinstieg. Kubrick zeigt in dieser Eingangssequenz, wie die ursprünglich "natürlich" lebenden Affen erstmalig ein Werkzeug entdecken, das sie alsbald als tödliche Waffe nutzen, um sich zuerst Fleisch zu besorgen und dann ein Wasserloch zu erobern. In einem grandiosen Übergang ("dem längsten Cut der Filmgeschichte") wird aus dem als Mordwerkzeug genutzten Knochen ein Raumschiff im Weltall, sozusagen das Endprodukt menschlicher Werkzeugentwicklung.
Im Religionsunterricht wird es zunächst darum gehen, den zu bearbeitenden Aspekt einzugrenzen. Nicht das divinatorische Eingreifen irgendwelcher Mächte in die Entwicklungsgeschichte der Menschheit ist das primäre Thema, sondern zum einen die Darstellung einer Art Sündenfallgeschichte unter darwinistischen Vorzeichen. Der Brudermord als Beginn aller menschlichen Zivilisation, diesmal nur nicht an eine biblisch-religiöse Erzählung geknüpft, sondern mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen verwoben.[16] Zum anderen wird die anthropologische These vom genuinen Zusammenhang von Menschwerdung und Technikentwicklung entwickelt,[17] die schließlich in der Menschwerdung des Computers gipfelt.[18] 7. Die Verurteilten - Der Mensch: auf Hoffnung gegründet!Inhalt: "Zweimal lebenslänglich!" lautet das Urteil für den Bankmanager Andy Dufresne. Angeklagt des Doppelmordes an seiner Ehefrau und deren Liebhaber, beteuert er vergeblich seine Unschuld und wird in das verruchte Gefängnis von Shawshank im Bundesstaat Meine eingeliefert. Gleich nach wenigen Tagen im Knast wird Andy von einer Clique sadistischer Männer brutal vergewaltigt und Gefängnisdirektor Norton demonstriert den Neuankömmlingen eindringlich, was er unter Disziplin versteht. Das Leben innerhalb der Mauern ist die Hölle. Nur die Freundschaft mit Red lässt ihn hoffen. [Klappentext des Videos.] Nach einer Buchvorlage von Stephen King inszenierte Regisseur Frank Darabont einen für sieben "Oscars" nominierten, knallharten Knastthriller, dessen Hauptthema die Hoffnung wieder alle Vernunft ist. Du hast keine Chance, deshalb nutze sie könnte auch über diesem Film stehen.[19] Auf der von den Nutzern gewählten Top-250-Liste der besten Kinofilme der Internet-Movie-Database steht dieser Film auf dem zweiten Platz.[20] Die unterschiedlichen Perspektiven auf Hoffnung und ihren Zusammenhang mit dem Menschsein beschreibt Jan Hawemann in seiner Internet-Film-Kritik so: "Am Anfang dieses Filmes gibt es für uns Zuschauer wohl nichts hoffnungsloseres als das Schicksal von Andrew Dufresne - unschuldig mit einem Strafmaß von zweimal lebenslänglich in das Shawshank-Gefängnis eingeliefert zu werden, in dem gleich am ersten Tag jemand totgeprügelt wird, und das unter dem Regime eines glaubensfanatischen Direktors steht. Die Hoffnung der Verurteilten auf bessere Zeiten, auf ein besseres Leben, auf die Entlassung lässt mit den Jahren der menschenunwürdigen und -verachtenden Behandlung nach, da die Hoffnung untrennbar mit dem Menschsein verbunden ist. Andy will jedoch diesen Kreis durchbrechen. Er will sich, sein Menschsein und seine Hoffnung nicht nehmen lassen, und gibt durch das, was er mit seinen mutigen Ausbrüchen in einer Welt voller Mauern erreicht, auch anderen Häftlingen die Hoffnung zurück. Und der grandiose Schluss, den uns Stephen King als Autor der Filmvorlage beschert, entlässt uns trotz aller Enge, Dunkelheit und Brutalität mit dem guten Gefühl, vielleicht auch noch den nächsten Tag gut zu überstehen."[21] Der Film enthält verschiedene separierbare Sequenzen, die im Unterricht Verwendung finden könnten.[22] Als ganzer ist der Film eine Parabel auf den menschlichen Wunsch nach Freiheit,[23] die verschiedenen Formen , wie sich dieser Wunsch artikuliert und realisiert und wie die Hauptfigur auf seine Freiheit hinarbeitet - was am Anfang nur angedeutet und erst ziemlich zum Schluss dramatisch umgesetzt wird. Die scheiternde Hoffnung symbolisiert Brooks, der nach 50 Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen wird, mit der Welt außerhalb des Gefängnisses nicht mehr zurecht kommt und sich deshalb - nachdem er all den Terror in der Strafanstalt überlebt hat - das Leben nimmt. Die Verbindung von Kultur, Freiheit und Hoffnung greift die sich anschließende Szene auf, in der Andrew Dufresne für die Bibliothek, die er im Knast aufbauen möchte, Schallplatten geschenkt bekommt und für seine Mithäftlinge gegen die Interventionen der Wärter und Gefängnisleitung Mozarts "Hochzeit des Figaro" spielt. Nach seiner Entlassung aus dem Straf-Block kommt es zu einer Diskussion mit seinen Freunden darüber, was Musik, was Kultur überhaupt für das menschliche Überleben und für das Menschsein bedeutet.
In diesem Sinne bietet der Film viele Ansatzpunkte für die Arbeit zu Aspekten des Themas Anthropologie im Religionsunterricht. 8. Der Alienzyklus - Der Mensch: getrieben von Angst und VerzweiflungAngst, Furcht, Schrecken, Schock und Entsetzen sind Fermente des Mediums Film.[24] Immer schon orientierte sich das Kino an seiner Wirkung, es ging darum, die Gefühle der Betrachter zu überwältigen. Ein typisches Beispiel für die Dramaturgie der Angst und eine Zeitreise durch die Ängste der westlichen Gesellschaft der letzten 20 Jahre ist der Kinozyklus Alien. Alien - Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt (Alien 1 - 1979; Regie: Ridley Scott) schildert die Abenteuer einer Raumschiffcrew, die auf eine grauenhafte, aber im Film kaum dargestellte Intelligenz stößt, welche nach und nach die gesamte Mannschaft mit Ausnahme der Heldin Ellen Ripley (Sigourney Weaver) vernichtet. Der Betrachter wird unmittelbar hineingezogen in die Atmosphäre des Grauens. Das Fremde kann von allen Seiten zuschlagen (auch von innen!), das Grauen hat keine Orientierung, weil das, mit dem man es zu tun hat, nicht näher bestimmt ist. Am Ende scheint der Gegner zwar besiegt zu sein, aber um den Preis, dass die Zurückbleibende ihres eigenen Überlebens unsicher ist: ob die Rettungskapsel jemals gefunden werden wird, bleibt im Film offen. Deutlich ist, dass der Film mit dem "negativen Erwartungsaffekt" arbeitet: der Angst. Aliens - Die Rückkehr (Alien 2 - 1986; Regie: James Cameron) lässt den Sinnen nichts verborgen, es wimmelt nur so vor Aliens. Alien 2 lebt von der Furcht. Weil der Feind bekannt ist, kommt es nur noch darauf an, wie er vernichtet wird; deshalb werden in Alien 2 ganze Heerschlachten geschlagen. Ellen Ripley wird nach Jahrzehnten in ihrer Raumkapsel aufgefischt und erfährt, dass zwischenzeitlich Siedler auf den Planeten der Aliens geschickt wurden. Ripley mobilisiert eine Rettungsmission, überzeugt davon, dass den Siedlern Schreckliches widerfahren ist. Tatsächlich hat nur ein Mädchen die Aliens überlebt. Es kommt zum Showdown, an dessen Ende die Heldin das Mädchen und den Raumschiffkapitän - einen Roboter - rettet. Wieder gelingt die Flucht nur in der Rettungskapsel. In Alien 3 (1991; Regie: David Fincher) reduziert sich die Welt auf ein irrationales Gefängnis. Die Rettungskapsel landet auf einem ehemaligen Gefangenenplaneten, der nun eine Art mönchische Organisation hat. Der Roboter ist beschädigt, das Mädchen wurde von einem überlebenden Alien getötet. Ripley ist von und mit einem Alien schwanger, sie trägt das Grauen nun in sich. Wissenschaftler und Militärs möchten die Aliens für ihre eigenen Zwecke nutzen und sind deshalb am Überleben Ripleys interessiert. Sie aber opfert sich am Ende des Films, indem sie mitsamt ihrem Ungeborenen in kochenden Stahl springt, um die Menschheit zu retten. Ihr Tod erscheint unausweichlich, er ist ein Produkt der Verzweiflung. Dem Betrachter wird verdeutlicht, dass ein Entkommen nicht möglich ist: das Gute kann paradoxerweise nur siegen, indem es im Kampf gegen das Böse untergeht. In Alien - Die Wiedergeburt (Resurrection) (Alien 4 - 1997; Regie: Jean-Pierre Jeunet) ist das Leben endgültig zur Hölle geworden. Zur Krönung ihrer Laborexperimente mit den Alien haben Wissenschaftler auf einer Weltraumstation mit Ripley auch ihre "Brut" wiederschaffen. Dabei sind Alien und Mensch eine untrennbare Einheit eingegangen: Ripley denkt und fühlt wie ein Mensch, aber ihr Blut besteht wie das der Aliens aus Säure, ihre Kraft und Vitalität sind die der Aliens und sie wird von den Alien als Verwandte angesehen. Ripley gebiert einen Alien-Mensch-Bastard, der seine Mutter liebt und seine Alien-Verwandten unmenschlich tötet und doch von seiner Mutter verraten = getötet wird. Es gibt keinen Ausweg - das Böse geschieht, wie immer die Situation sich entwickelt. Alien 1 kann als Ausdruck der Orientierungslosigkeit Ende der 70er Jahre begriffen werden: Wer ist eigentlich der Feind und wo steckt er? Lässt sich die Welt zum Positiven ändern? Es herrscht eine tiefe Skepsis. Alien II antwortet darauf in der Hau-Ruck-Mentalität der Ronald-Reagan-Ära: Das Reich des Bösen ist erkennbar und es muss mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft werden. Es gibt allerdings auch Elemente, die mit dem Bösen eigene (wirtschaftliche) Interessen verbinden und dessen Macht unterschätzen. Alien III setzt dagegen auf Authentizität und mythologisiert das Geschehen zugleich: kein System ist vertrauenswürdig, allenfalls der Opfergang des einzelnen scheint ein Ausweg zu sein. Alien IV stellt sogar die Authentizität des einzelnen in Frage und zeigt ihn mit ambivalenten Zügen. Der Mensch wird ätzend, das Fremde gewinnt vertraute Züge. Der homo sapiens hat seine Identität verloren: Was ist noch menschlich in einer Zeit, in der Alien humaner agieren als der Mensch selbst? Im Unterricht könnten folgende Fragen bearbeitet werden: Was ist der Sub-Text des Films z.B. in Blick auf die Darstellung der zeitgenössischen Angst/Furcht? Warum werden in Alien 1 die Aliens kaum gezeigt, warum ändert sich das in Alien 2? Welche Bedeutung bekommt der einzelne in Alien 3? Welche technischen Entwicklungen spiegelt Alien 4 und welche Ängste kommen im Film zum Ausdruck? In jedem Falle sollte die Zeitgeschichte hinzugezogen werden, weil sie zur Beantwortung der gestellten Fragen hilfreich ist. Neben den gesellschaftlichen Aspekten sollten aber auch die konkreten, Schreck und Entsetzen auslösenden Szenen untersucht werden. Wie "funktionieren" Angst, Furcht, Verzweiflung und die Hölle (filmtechnisch)? 9. Das Netz - Der Mensch: ein Konstrukt von InformationenInhalt: Die Computerexpertin Angela Bennett hütet einen gefährlichen Schatz: eine Diskette mit hochbrisanten Geheimunterlagen einer regierungsfeindlichen Hacker-Bande. Informationen, die die wichtigsten Datennetze weltweit verseuchen könnten. Ein Killer wird auf Angela angesetzt: Jack Devlin - schnell, gerissen, gemeingefährlich. Einem Mordanschlag entgeht sie knapp, doch Devlin rächt sich brutal: er löscht Angelas Daten aus allen staatlichen Computern, tilgt ihre Identität und aus Angela Bennett wird Ruth Marx, eine gesuchte Prostituierte! Angela kämpft verzweifelt um ihre Existenz. gnadenlos gejagt vom Killer und der Polizei. Sie muss in den Zentralrechner, sie muss schneller sein als Devlin... Kein überaus populärer, auch kein sehr hoch bewerteter Kinofilm ist "Das Netz", entstanden im Jahr 1995 unter der Regie von Irwin Winkler mit Sandra Bullock in der Hauptrolle.[25] Aber es ist eine Art Kultfilm für und über das Internet geworden. Einerseits pflegt es populäre Vorurteile, wie etwa das vom sozial isolierten, gehemmten und gesellschaftlich vereinsamten Computerhacker,[26] andererseits stellt es die realen Bedrohungen des Einzelnen in der Informationsgesellschaft ziemlich realistisch dar. Beide Aspekte lassen sich unter die Frage rubrizieren: Welche Folgen hat die fortschreitende Digitalisierung für den Menschen? Die im Unterricht anhand einzelner Filmausschnitte zu bearbeitenden Fragen wären also: Wenn der Computer zunehmend zum persönlichen Lebensmittelpunkt wird, werden dann zwangsläufig traditionelle gesellschaftliche Kontakte vernachlässigt? Geht der Umgang mit dem Computer zu Lasten der Face-to-Face Kommunikation? Und welche Folgen hat es für die Menschen und die Gesellschaft, wenn ihre Kommunikation virtuell wird? Welche Gefahren stecken darin, dass die Informationen über die Menschen zunehmend nur noch elektronisch erfasst und gespeichert werden? Was bildet noch die Identität eines Menschen, wenn die gesellschaftlichen Identifikationsmechanismen versagen - wenn es keine Papiere oder nur noch falsche Papiere gibt, wenn man nach den Unterlagen ein anderer ist, als man zu sein glaubt bzw. wirklich ist? Lässt sich die Identität eines Menschen so radikal in den Computersystemen verändern, dass seine Existenz fraglich wird? Welche Folgen hätte der Zugriff einer Organisation auf alle öffentlichen Daten und Datenträger?
Im Unterricht könnte - vielleicht im Rückgriff auf entsprechende philosophische Texte - über Fortschritt und Sinn menschlicher Aktivitäten gefragt werden: "Der Begriff des Fortschritts impliziert ein Wohin und Wozu, und zwar ein zu wollendes, also gutes Wozu und ein zu erkämpfendes, also noch nicht erreicht-vorhandenes."[27] 10. Gattaca - Der Mensch: ein gentechnologisches ProjektInhalt: In der nahen High-Tech-Zukunft entscheidet ein Gentest gleich nach der Geburt über das Schicksal der Kinder. Futuristische Biochemie macht es möglich, dass fast alle Eltern sportliche, hochintelligente Superbabies zur Welt bringen. Vincent aber hat Pech gehabt. Wegen seiner körperlichen Schwächen wird er nie zur Elite gehören. Doch er träumt davon, als Gattaca-Pilot die Galaxis zu erforschen. Vincents Freund Jerome hat beste Gene, ein Unfall hat ihn allerdings an den Rollstuhl gefesselt. Beide tauschen ihre Identität. Ein äußerst riskanter Plan, denn die strengen Sicherheitskontrollen des perfekt organisierten Polizeistaates sind kaum zu umgehen. Bald hat Vincent die Geheimdienste auf den Fersen ... Gattaca. Ein spannender Sci-Fi Thriller mit beängstigendem Zukunftsszenario. [Klappentext][28] Sieh an die Werke Gottes; denn wer kann das gerade machen, was Er krümmt? Mit diesem Zitat aus Prediger 7,13 eröffnet der Film Gattaca. Und das folgende Zitat antwortet: "Ich glaube nicht nur, dass wir an Mutter Natur herumpfuschen werden, sondern ich glaube auch, dass Mutter Natur es will."[29] Für einen Film der Genre Science Fiction und Thriller ist Gattaca extrem ruhig, es herrschen lange Bildsequenzen und getragene Töne vor. In einem gewissen Sinne ist es eher ein philosophischer Film. Das erklärt vielleicht auch, warum die Stimme des Helden so penetrant aus dem Off ertönt. Spannungsvoll an diesem Film ist eher die Idee: die einer (schon längst angebrochenen) Zukunft, in der "Gotteskinder" - ein Begriff für natürlich gezeugte Menschen -, zu den Loosern, den sogenannten Invaliden gehören, weil sie den Kriterien der Konzerne und der Gesellschaft nicht genügen. Ihr genetisches Material reicht für so gut wie keinen Job, geschweige denn für Traumjobs. Keine Krankenkasse kann es sich leisten, diese Menschen zu versichern, kein Arbeitgeber, sie anzustellen. Vincent aber, der Held des Films, träumt den Traum aller Jungen: er will als Pilot die Galaxis zu erforschen. Und er geht dieses Ziel mit allen Mitteln an. Ob und wie er es schafft, ist letztlich für unser Thema zweitrangig.[30] Ein Thema des Films ist der Versuch der Menschheit, besser zu sein als Gott. Vilém Flusser, einer der Theoretiker der neuen Technologien, sieht heute schon die Menschheit den Sieg in diesem Wettstreit davontragen: "heute kann sie das buchstäblich tun, sie kann tatsächlich Leben schaffen. Sie kann dabei nicht nur mit Gott in Konkurrenz treten, sie kann es besser als Gott machen, denn Gott hat das Prinzip des Zufalls für Kreativität verwendet, während wir es absichtlich, deliberat machen können. Infolgedessen können wir die Evolution beschleunigen und die vielen Fehler, die passiert sind, vermeiden." Das zweite Thema ist die Konsequenz, die sich aus dem ersten ergibt: wenn man den perfekten Menschen erschaffen kann, bleiben immer auch weniger perfekte übrig - eine wie immer auch begründete Zwei-Klassen-Gesellschaft. Waren es früher Geschlecht, Religion oder Bildung, sind es heute eben die Gene. Der Film führt dieses Thema konsequent vor Augen, ohne in eine allzu ferne Zukunft zu weisen.
11. Die Literatur: "Was du siehst, das schreibe in ein Buch!"
Anmerkungen
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