1999

Schule, Religion und Internet

Zum Einsatz der Neuen Medien im Religionsunterricht

von Andreas Mertin

aus: forum religion 4/99, S. 3-8

Dies sind einige Überlegungen die später ausgearbeitet wurden in meinem Buch

"Internet im Religionsunterricht", Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2/2001

186 Seiten, ISBN 3-525-61380-6

Das Internet ist zu einem der wichtigsten Medien der Gegenwart geworden. Auch für die Arbeit im Religionsunterricht bietet dieses Medium eine Fülle von Möglichkeiten. Kritische Medienkunde und den produktiven Umgang mit dem Internet zugleich vermittelt dieses Buch. Entlang den Themen des Religionsunterrichtes werden 30 Unterrichtsanregungen vorgestellt, die die Möglichkeiten religionspädagogischer Arbeit unter Einbeziehung der neuen Technik des Internet demonstrieren. Darüber hinaus wird auf interessante Adressen im Internet hingewiesen: vom virtuellen Gottesdienst über die Erkundung der Pyramiden bis zur Diskussion um die Ökologie. 


Warum die Schulen das Internet nicht brauchen

Seit einiger Zeit mehren sich die Stimmen, die von einem "Reformstau" an deutschen Schulen sprechen und daher eine Grundausstattung aller Schulen mit Computeranschlüssen für das Internet fordern. Ohne die Nutzung des Internet, so scheint es manchmal, ist die Zukunft der Schule gefährdet. Ob die Schüler allerdings wirklich in der Schule ausgerechnet in diesem Bereich für das Leben lernen, ist nicht zuletzt wegen der rasanten Entwicklung des Mediums mehr als fraglich. Die Informationen, die ich etwa 1975 während meiner Schulzeit hätte mir aneignen können, sind für die alltägliche Computer- wie Internetpraxis des Jahres 1998 jedenfalls so gut wie überflüssig. Eher scheint der Bereich dieser Neuen Medien - anders als bei den kulturellen Revolutionen vergangener Jahrhunderte - ein Feld lebenslangen Lernens zu sein. Der Satz "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr" ist für das Internet grundsätzlich nicht zutreffend. Hier können, wie entsprechende Seiten des Netzes zeigen, auch Achtzigjährige sehr gut "mitsurfen".

Jedenfalls wird aktuell mit Unterstützung der deutschen Industrie ein umfangreiches Programm "Schulen ans Netz" in die Wege geleitet. Hierbei handelt es sich um eine Initiative des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Technologie und der Deutschen Telekom in Verbindung mit zahlreichen Firmen aus der Wirtschaft. Die Initiative sorgt sich um den Anschluß bundesdeutscher Schulen an das Internet. Gefördert werden sollen bis zu 10.000 Schulen. Zugleich soll in Kooperation mit deutschen Verlagen ein Bildungsserver aufgebaut werden.

Der eigene Anspruch ist dabei nicht gering: "Diese Initiative ist eine nationale Aufgabe angesichts der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts", denn: "In den nächsten zehn Jahren werden wir mehr neues Wissen er- und verarbeiten müssen als in den vergangenen 2500 Jahren. Weltweit verdoppelt sich der Wissensbestand alle fünf Jahre. Gleichzeitig sind Informationen und Wissen der wichtigste Rohstoff für alle Industriegesellschaften. Information und Wissen müssen strukturiert, verarbeitet und gespeichert sowie in Anwendungszusammenhängen nutzbar gemacht werden. Information und Wissen sind prinzipiell weltweit verfügbar: daraus folgt, daß jede Gesellschaft diese Herausforderung des 21. Jahrhunderts annehmen und für sich bewältigen muß. Der Schlüssel für die Bewältigung dieser Aufgabe liegt beim Bildungssystem, nicht nur in der beruflichen Aus- und Fortbildung, sondern besonders in der schulischen Ausbildung." Das ist natürlich sehr vollmundig gesprochen. Hier gilt es eher die Warnung aus dem mitreißend geschriebenen Buch "Die Wüste Internet" von Clifford Stoll zu beherzigen: würde das Geld, das die deutsche Wirtschaft im Augenblick für die technische Ausstattung der Schulen einsetzt, für die Schaffung einiger Lehrerstellen und bessere Unterrichtsmaterialien verwendet, wäre es wahrscheinlich besser eingesetzt.

Ergänzt wird die Bildungsinitiative "Schulen ans Netz" durch den Deutschen Bildungsserver. Er soll eine Art "Wegweiser" für Bildungsinformation und Bildungskommunikation sein, durch den die zahlreichen "Schule und Internet" - Aktivitäten strukturiert und ausgewertet werden. Aber obwohl die Initiative nun schon einige Jahre an der Arbeit ist, ist das Ergebnis zumindest für den Unterrichtsbereich "Religion" bisher eher spärlich. Gerade mal 100 Projekte werden angezeigt und beschrieben. Aber das könnte natürlich auch am Fach "Religion" selbst liegen.

Bei allen Hinweisen und Hilfestellungen, die durch die Industrie und Bildungsinstitutionen gegeben werden, wird aber nirgends deutlich, inwiefern das Internet für die Schule unverzichtbar ist. Wenn der seinerzeitige Forschungsminister Rüttgers sagte: "Wenn Kinder in der Schule für das Leben lernen sollen, müssen sie auch lernen, mit Wissen und der Verarbeitung von Wissen - also auch mit Computern - sinnvoll umzugehen", dann ist das nicht besonders schlüssig, insofern es unterstellt, ohne den Umgang mit dem Computer ließe sich heute Wissen nicht mehr angemessen verarbeiten. Zumindest im kulturwissenschaftlichen Bereich kann davon keine Rede sein. Und selbst für naturwissenschaftliche Fächer gibt es Zweifel. Zwar ist das Internet sicher nützlich für den Unterricht, aber weitergehende substantielle Begründungen finden sich kaum.

Sätze, wie sie sich im Handbuch der Initiative "Schulen ans Netz" finden, können nur als Mythenbildung bezeichnet werden. Dort heißt es: "Lehrerinnen und Lehrer können mit dieser Technik den Anforderungen an einen zeitgemäßen Unterricht gerecht werden und ihre Schülerinnen und Schüler auf die Anforderungen im Beruf vorbereiten." Weder das eine noch das andere ist zutreffend. Zeitgemäßer Unterricht hängt wahrlich nicht vom Computereinsatz ab und welche Anforderungen beruflich auf die Schüler zukommen, ist - gerade auch im Blick auf den Computer - noch sehr fraglich. In Clifford Stolls Buch "Wüste Internet" nehmen die Ausführungen über die Bedeutung von Computer und Internet für die Schule einen breiten Raum ein. Stoll ist außerordentlich skeptisch, was den pädagogischen Sinn des Computers betrifft: Computer und Internet "machen es allen leicht, aber es findet verdammt wenig Unterricht statt."

Warum das Internet die Schule braucht

So läßt sich kaum einsichtig machen, wozu die Schulen unbedingt das Internet benötigen sollten. Zur Berufsqualifikation ist die Ausbildung nur bedingt geeignet, denn die technische Entwicklung ist so rasant, daß morgen schon das heute Gelernte vollständig überholt ist. Absehbar ist, daß in 10 Jahren die Computer das tausendfache dessen leisten, was sie heute können. Ob die Ausrüstung der Schulen und die dort vermittelten Fähigkeiten dieser Entwicklung standhalten können, ist eine große Frage.

Es gibt aber trotz aller Skepsis einen Aspekt, der die Verbindung von Schule und Internet sinnvoll macht: ohne die Schule ist der Umgang mit dem Internet problematisch. Das Internet ist ein typisches Beispiel für eine allgemeine Entwicklung der Alltagskultur, nämlich, nur noch mittels einer soliden Ausbildung erschließbar zu sein, wenn man nicht ihr Opfer (= von ihr manipuliert) sein will. In der traditionellen Buchkultur gab es Agenten, die uns entlasteten, weil es ihre Aufgabe war, für die Einhaltung von Qualitätsstandards zu sorgen: Lektoren, Bibliothekare, Wissenschaftler. Der Name eines Verlages flößt unter Umständen schon Vertrauen ein, weil man weiß, das dort ein solider Lektor arbeitet, eine städtische Bibliothek wird keinen Schund anschaffen und die Wissenschaftler haben seit dem 17. Jahrhundert eine Beschreibungsform ihrer Arbeiten entwickelt, die jeden Gedankengang und jede Behauptung nachvollziehbar macht (deshalb die vielen Anmerkungen in einem wissenschaftlichen Text: sie helfen bei der Überprüfung; und wer hier pfuscht, dem wird man nicht trauen!).

Alle diese Sicherungssysteme gibt es im Internet nicht. Das gesamte Internet ist potentiell ein "Fake", eine gefälschte Information. Es gibt keine Autorität, die einem garantiert, ob die Information, die man erhält, auch wirklich solide ist. Selbst die Online-Recherche in einem öffentlichen Archiv gibt einem keine Sicherheit, weil man nie wissen kann, wer einem die Information vermittelt. Es gibt sogar Leute, die machen sich einen Spaß daraus, seriöse Seiten zu imitieren, Anfragen daran auf ihre eigene Seiten umzulenken und dann verfälschte Informationen zurückzuschicken. Wer also nicht über eine solide Bildung verfügt, ist den Fakes des Netzes hilflos ausgeliefert.

Wer also zum Beispiel aus dem Netz etwas über den Buddhismus erfahren will, muß schon einiges über Buddhismus wissen, damit er überprüfen kann, ob er auf einer seriösen oder auf einer obskuren Seite gelandet ist. Das Netz bietet eine schier unerschöpfliche Fülle an Informationen zu diesem Thema, aber keine Instanz sagt einem, wie sinnvoll diese Informationen sind. Das Internet kann zwar durchaus der Aktualisierung und Dynamisierung des Wissens und des Wissensaustausches dienen, aber es kann nur schwer erstes grundlegendes Wissen vermitteln, weil es kaum die Kriterien mitliefern kann, an denen dieses Wissen wiederum überprüft werden könnte.

Was die Schule daher den Schülerinnen und Schülern vermitteln muß, ist eine Art hermeneutisches Grundwissen, d.h. die Fähigkeit, erhaltene Informationen auf ihre Solidität zu überprüfen. Diese Herausforderung stellt sich natürlich nicht nur angesichts des Internet, sie gilt inzwischen für fast jede Wahrnehmungs- und Ausdrucksform. Deshalb gilt: "Noch nie war die im Unterricht vermittelte Erfahrung so wertvoll wie heute". Was im Unterricht gelehrt werden muß ist - neben einer soliden Grundbildung - auch die Fähigkeit, erworbenes Wissen auf neue Bereiche anzuwenden und vom eigenen Wissensbestand aus neue Verbindungen zu knüpfen. Die Jugendlichen müssen nicht nur in der Lage sein, sich Wissen anzueignen, sondern auch, das erworbene Wissen mit anderen Bereichen des Lebens produktiv zu verbinden.

Im Blick auf das Internet ist die Frage der "Ordnung des Wissens und der Diskurse" noch vollständig ungeklärt. Man kann das Internet als Surf-Paradies nutzen und zur multimedialen Ablenkung aus einem anstrengenden Alltag. Man kann es als Erleichterung des Einkaufs verstehen. Sobald man es aber im Blick auf die Informationen betrachtet, die es vermitteln kann, müssen Strategien erarbeitet werden, dieses Wissen kritisch zu überprüfen. M.a.W. das Internet erfordert in verstärktem Maße die Bemühung, das Lernen zu lernen.

Aber auch die Vermittlung von Wissen muß gelernt werden. Bei welchem Text und bei welcher Zielgruppe muß welche Verbindung (im Internet: welcher Link) hergestellt werden? Wann ist eine verweisende Information notwendig, wann nicht? Das ist nicht immer ganz eindeutig und muß deshalb gelernt werden. In einem Text, der sich an christliche Gemeinden wendet, muß der Name Jesus nicht erläutert werden, gegenüber einem Publikum, das immer weniger über Jesus informiert ist, sind einige Informationen durchaus angebracht (was die evangelische Kirche auf ihren Internetseiten häufig vergißt).

Religion und Internet

Nun mag mancher noch einsehen, daß im Rahmen anderer Unterrichtsfächer, insbesondere vielleicht der informationstechnischen Grundbildung, der naturwissenschaftlichen Fächer, der Sprachen oder des Sozialkundeunterrichts mit Computern gearbeitet werden sollte, aber für den Religionsunterricht scheint dies vielen mehr als fraglich. Nicht wenige meinen, daß gerade der Religionsunterricht jener Unterricht ist, in dem man sich von der zunehmenden Technisierung und Digitalisierung des Lebens freihalten, ja sie vor allem kritisch betrachten sollte. Und tatsächlich sind eine Vielzahl von Unterrichtenden im Fach Religion geradezu medienresistent: weder nutzen sie Medien im Unterricht noch halten sie Medienpädagogik für eine wichtige Aufgabe des Religionsunterrichts. Die Beziehungsgeschichte der christlichen Religion zu den Medien zeigt dagegen, daß diese Auffassung nicht immer gegolten hat.

Denn eigentlich ist der Religionsunterricht ein geradezu prädestiniertes Fach für den Einsatz von Medien. Die Geschichte der christlichen Religion und nicht zuletzt des Protestantismus ist immer eng mit den jeweils neuesten Medien und Medienwechseln verbunden gewesen. Eine Revolution wie die Reformation wäre ohne die Entwicklung des Buchdrucks und vor allem der Flugblätter nicht denkbar gewesen. Gerade die protestantischen Kirchenväter haben intensiv die seinerzeit neu entwickelten Medien genutzt. Selbst sog. Bilderfeinde wie Karlstadt haben ihre Theologie mit Hilfe von bebilderten Flugblättern vorgetragen. Auch die Technik der intertextuellen Verweisstruktur, die der für das Internet typischen Hyper Text Markup Language eigen ist, dürfte jedem Bibelleser vertraut sein. Die Bibel ist eines der ältesten Medien konsequenter textlicher Vernetzung, nur das heute die Vernetzung multimedial und nicht mehr nur textintern geschieht.

Religion im Internet

Das Auftreten der Religionen im Internet folgt sehr unterschiedlichen Konzepten. Während die Internetseiten der evangelischen Landeskirchen und der EKD eher den Charme einer Behördenkundgebung haben, sind die Präsentationen anderer Religionen eher sinnliche Vermittlungsversuche. So wird man im Buddhanet von einem freundlichen Buddha angelächelt und dann über den Buddhismus informiert. Ähnliches gilt für das Hindunet. Wer sich hier einwählt, findet eine Fülle von Informationen, beginnend mit der Götterwelt über die Tempel und ihre Architektur biss hin zu den Riten und diversen Ratschlägen. Beide Religionen sind sehr bilderreich präsent. Ähnliches gilt auch für einige Webseiten der katholischen Kirche. Wer sich umschaut, findet neben den neuesten Nachrichten aus dem Vatikan auch eine Fülle an Bildmaterial für den Religionsunterricht, so etwa Bilder aus der Sixtinischen Kapelle, die Bilder der Brüder von Limburg aus dem Stundenbuch des Herzogs von Berry, Fotos aus Jerusalem etc.

Ein Kennzeichen des Netzes sind daneben aber auch seine zahlreichen Diskussionsgruppen. Das Netz bietet über 30 000 Gruppen zu den unterschiedlichsten Themen. Beim Thema Religion habe ich allerdings kaum gute Erfahrungen gemacht. Zum einen ist der Tonfall durchaus gewöhnungsbedürftig, er ist nicht nur sehr direkt, sondern oft auch unverschämt und verletzend. Zum zweiten lieben religiöse Disputanten offensichtlich lange Emails. Wo andere Foren mit 20 oder 30 Zeilen auskommen, sind im religiösen Bereich Texte mit über 100 Zeilen nicht selten. Das kostet Zeit, Geld und Nerven. Auch ist das inhaltliche Niveau der Diskussionen erschreckend niedrig. So gut wie jede theologische und religiöse Einsicht der letzten 2500 Jahre bleibt auf der Strecke, Nach-Denken ist hier nicht angesagt. Und nicht zuletzt sind die religiösen Diskussionsgruppen ein Tummelfeld für Sektenanhänger.

Internet vor dem Unterricht

Über die Nützlichkeit des Computers als bessere Schreibmaschine für die Unterrichtsvorbereitung braucht an dieser Stelle kaum ein Wort verloren werden. Eine Vielzahl von Lehrerinnen und Lehrern nutzt inzwischen den Computer und entsprechende Programme für den Unterricht. Inwiefern aber kann das Internet bei der Unterrichtsvorbereitung hilfreich sein? Zwei Möglichkeiten fallen einem sofort ein: das Internet zur Informationsrecherche zu nutzen oder es dazu zu nutzen auf die gesammelten Erfahrungen der Kollegen zuzugreifen.

Beispiel 1: Das Internet als Informationspool

Das Internet ist - betrachtet man es im Blick auf die Unterrichtsvorbereitung - vor allem ein Informationspool und ein Bilder- und Text-Archiv. Die neuesten Daten zur Klimaveränderung? Kein Problem! Bilder vom aktuellen Tagesgeschehen zum Einbau in ein eigenes Textblatt? Sofort zu bekommen! Liedtexte eines Musikstückes, über das man morgen im Unterricht sprechen möchte? Auch dies bereitet keine größeren Probleme.

Wenn Sie möchten, können Sie das WWW sofort mit Altavista durchsuchen. Geben Sie dazu das zu erforschende Thema z.B. "Gewalt an den Schulen" mit den Anführungsstrichen in das Formular ein und starten Sie die Suche. 

Beispiel 2: Kollegen über die Schulter geschaut

Eine andere Art der Nutzung des Internets zur Unterrichtsvorbereitung ist es, Kollegen über die Schultern zu schauen. Denn zahlreiche Kollegen haben inzwischen ihre Unterrichtsblätter ins Netz gestellt und bieten so die Gelegenheit, sich Anregungen und Materialien auf einfache Weise zu organisieren. Einige der Möglichkeiten unter zahlreichen weiteren seien im folgenden genannt.

Da ist zum ersten die Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet e.V., die sich den Austausch bereits erarbeiteter Materialien zum Ziel gesetzt hat. Hier findet der Suchende eine nach Schulformen, Bundesländern und Unterrichtsfächern sortierte Übersicht, aus der er sich das ihn Interessierende heraussuchen kann. Dieses Projekt lebt vom Engagement der Lehrer, die ihre Erfahrungen und Arbeitsergebnisse anderen zugänglich machen. Wer unter dem Unterrichtsfach "Religion" nachschlägt, bekommt eine Linkliste, die leider etwas unstrukturiert ist, aber eine Fülle von Angeboten zum Religionsunterricht im Netz auflistet.

Wer im WWW die Homepage einer Schule finden will, wendet sich an SchulWeb, ein Verzeichnis aller Schulen im deutschsprachigen Netz. Hier findet er, geordnet nach Bundesländern und Schularten, alles was er sucht: nähere Angaben zur Schule, Name und Adresse der Ansprechperson oder Hinweise auf eine Online-Schülerzeitung etc. Alle Schulseiten können direkt angesurft werden. Besonders gelungene Schulseiten werden extra hervorgehoben. Darüber hinaus bietet der Server die Gelegenheit zur Suche nach Materialien. Der Betrachter blickt auf einen Stundenplan, auf dem zahlreiche Fächer angeclickt werden können. Das Rechercheergebnis zum Thema Religion ist dabei zur Zeit noch nicht gerade umwerfend und weit geringer als bei der ZUM, aber es enthält Seiten, die als Vorbild für die eigene Arbeit dienen können.

Das religionspädagogische Institut Loccum informiert im Internet nicht nur über aktuelle Entwicklungen zum Thema "Kirche und Schule", sondern bietet auch Gelegenheit, nützliche Dateien herunterzuladen. Hier findet man zahlreiche Texte und Unterrichtshilfen zur Theorie und Praxis des Religionsunterrichts und des Konfirmandenunterrichts. Die Texte sind als zip-Dateien gepackt und im WinWord 6/7 und Ascii-Format verfügbar. Sortiert nach den Schulformen sind hier zahlreiche Materialien herunterzuladen. Hier findet man auch Vorträge, die aus dem Veranstaltungsprogramm des RPI stammen, vor allem aber ganz konkrete Unterrichtseinheiten zu unterschiedlichsten Themengebieten wie Weihnachten, Kirchenpädagogik, Symbolkunde, multikulturelle Gesellschaft, Wunder, Leiden, Gotteserfahrungen, Graffitis, Tod, Schöpfung, Reformation usw.

Die interessanteste Neuentwicklung in diesem Bereich ist das Reliweb. Entstanden aus der Notwendigkeit, nicht nur Material zu präsentieren, sondern das vorhandene Material auch zu sichten und zu bewerten, findet sich hier eine Datenbank, in der nahezu alle Themen des Religionsunterrichts abgefragt werden können.

Daneben gibt es noch weitere Institutionen, wie etwa das Comenius-Institut oder die Sekteninformationsbank sowie verschiedene religionspädagogische Ämter.

Internet im Religionsunterricht

Clifford Stoll berichtet in seinem Buch "Die Wüste Internet" von einer Schnitzeljagd im Internet, an der er trotz aller Vorbehalte gegen das Netz regelmäßig teilnimmt. Vorgegeben werden witzige Fragen, die tatsächlich im und durch das Netz beantwortet werden können. Punkte gibt es aber nicht für die richtigen Antworten, sondern für die Beschreibung des Weges, den man eingeschlagen hat. Stoll beschreibt es zurecht mit dem Bild, daß man einen Geldschein in einem Buch in einer großen Bibliothek versteckt und die Schüler mit ein paar Tips auf die Suche schickt. Gelernt wird so Informationsrecherche.

Dieses Modell läßt sich auch im Religionsunterricht verwenden. Dazu gehört natürlich, ein paar nicht so gängige Fakten schon präsent zu haben, nach denen man die Schüler auf die Suche schicken kann. Während ich dies tippe, fällt mir etwa der "literarische Waffengang" zwischen Luther und Dr. Eck ein. Er trägt die wegen seiner Verwandtschaft mit der beliebten Comic-Serie auch von Schülern leicht zu merkenden Überschriften "Obelisci" und "Asterisci".

Beispiel 1: asterisci & obelisci

Ich stelle mir im Rahmen eines Unterrichts zum Thema Reformation die Sache so vor, daß man im Unterricht mit vier Zetteln erscheint. Auf zweien steht das Wort asterisci, auf den zwei anderen das Wort obelisci. Nun wird das Dilemma erläutert, zwei Begriffe zu haben, die irgendetwas mit dem Unterrichtsthema Reformation zu tun haben, ohne daß man genau wüßte, was. Die Schüler sollen bei der Lösung des Problems behilflich sein. Es werden zwei Gruppen bildet, die jeweils einen asterisci- und einen obelisci-Zettel erhalten und nun versuchen sollen, auf unterschiedlichen Wegen das Problem anzugehen: die einen "konventionell" - also mit Bücherrecherche in einer Bibliothek; die anderen "online" über Datenbanken, Suchmaschinen und elektronische Lexika - also mit dem Internet [es wäre sogar noch eine dritte Gruppe denkbar, die nicht literal, sondern durch Befragung, etwa von Pfarrern, die Informationen zu erlangen sucht]. Jede Gruppe soll den Weg, auf dem sie versucht hat, das Problem anzugehen, schriftlich festhalten. Hinterher soll erkennbar sein: Welche Versuche wurden gemacht, wo wurde gesucht, wer wurde um Rat gefragt?

Um zu überprüfen, ob der elektronische Weg überhaupt Aussicht auf Rechercheerfolge hat, starte ich eine kurze Anfrage im Internet bei einigen Suchmaschinen. Immer wieder die Antwort: Keine Fundstellen / No matches. Erst das amerikanische Suchprogramm Altavista verweist mich gleich mit der ersten Angabe auf die englischsprachige Online-Ausgabe einer katholischen Enzyklopädie und sogar auf eine spezielle Seite zur Thesenkontroverse von 1518. Fündig geworden wäre man aber auch bei der übergreifenden Suchmaschine search.com, die auf mehrere Datenbanken zugreift. Hier hätte man einen Verweis auf das Gutenberg-Projekt gefunden, in dessen Rahmen auch Texte von Luther online zugänglich gemacht werden, bei deren Kommentierung auf die asterisci und obelisci verwiesen wird.

Natürlich kommt man auch per Bibliothek weiter, etwa mit Heussis beliebtem Kompendium der Kirchengeschichte, aber dann muß man schon die Referenz "Dr. Eck" wissen, sonst helfen einem die angegebenen Begriffe wenig. Jedes Standardwerk zur Reformationsgeschichte, das mit einem einigermaßen soliden Register ausgestattet ist, bringt die Suchenden allerdings schnell weiter. Sonst hilft nur ein wenig Stöbern in den kirchengeschichtlichen Werken. Das ist aber dann in der Regel auch effizienter.

Nachdem die ersten Informationen eingetröpfelt sind, entsteht das für den Unterricht wesentlich produktivere Problem. Welche Informationen sind wichtig, welche richtig, welche nichtig? Ist die Katholische Enzyklopädie in Sachen Luther versus Eck vertrauenswürdig oder ist es der gute alte Heussi? Und was ist mit all den anderen Daten, die der Computer - wie der Bibliotheksbesuch natürlich auch - an die Oberfläche spült? In der Bibliothek, das dürfte schnell deutlich werden, gibt es in der Regel vorsortierte Literatur. Wir können darauf vertrauen (aber sollten uns keinesfalls darauf verlassen), daß im wesentlichen die renommiertesten Lexika und Standardwerke angeschafft werden. Im Notfall vertrauen wir auf den Ratschlag des Bibliothekars. Sind wir auf ein Buch gestoßen, stehen direkt daneben meist auch andere Bücher zum Thema. So kann man immer weiter stöbern.

Im Internet ist dies ungleich schwieriger. Wie überprüft man die Solidität elektronischer Quellen? Und kann man sicher sein, wenn man gestern etwas im Netz gefunden hat, das es heute noch da ist? Eine der Schwierigkeiten über das Internet zu schreiben, besteht darin, daß alles im Fluß ist: Gestern hat die Seite noch so ausgesehen, heute ist schon wiederum alles anders. Dies ist nun kein Grund, sich vom Netz abzuwenden, sondern gerade ein Grund, nun erst recht die Unterscheidung der Geister zu lehren (1. Thess. 5, 21). Zur Anwendung kommen klassisch exegetische Erkenntnisse: wenn mehrere, unabhängige Zeugen existieren, gewinnt die Überlieferung an Glaubwürdigkeit.

Am Ende werden alle recherchierten Ergebnisse miteinander verglichen. Welche Informationen bekommt man wie schnell mit welchem der beiden Medien? Was ist glaubwürdiger, was zuverlässiger?

Beispiel 2: Rastafari

In einem religionspädagogischen Heft wird ein religiöser Videoclip von Bob Marley besprochen und dazu notiert: "Seine Kraft schöpft er aus der Rastafari-Bewegung, benannt nach Haile Selassi, dem damaligen König Äthiopiens, der vor der Krönung Ras Tafari hieß und der von seinen Anhängern als der wiedergeborene Christus galt." Der Lehrer, der mehr über die Rastafari- Bewegung wissen möchte, wird in den normalen Lexika kaum fündig. Auch in beliebten Lehrer-Nachschlagewerken wie der Sachkunde Religion von Otto und Lott wird man nichts finden. Also versuchen wir einmal, das Internet als Auskunftsdienst zu nutzen.

Wir beginnen ganz einfach mit der Suchmaschine Altavista und geben Rastafari als Stichwort und als Suchbereich any language ein. Daraufhin meldet Altavista hunderte von Dokumenten, auf denen das Wort gefunden wurde. So nennt der Suchdienst ein One-World-Magazine angegeben, das über Rastafari, Roots, Ideology Auskunft gibt. Nach und nach könnte man so alle Dokumente ansurfen. Da wir über das Stichwort Bob Marley auf dieses Thema gekommen waren, werden wir bei einer Adresse besonders neugierig. Sie lautet: About Haile Selassi I: Rastafari, The Life of Bob Marley. Wir surfen sie an und gelangen auf eine Seite, die knapp über Haile Selassi Auskunft gibt. Schließlich verweist ein Bild des afrikanischen Kontinents mit der Unterschrift Rastafari darauf, daß man hier weitere Informationen abschöpfen kann. Der Link bringt uns auf eine Seite mit einem Schaubild, das viele Einzelbilder zur Rastafari-Bewegung zeigt. Das Schaubild ist ein sog. "Image Map", d.h. wir können auf die einzelnen Bildteile clicken und erhalten so nach und nach Informationen über den Glauben, die Riten und Sakramente, die Geschichte, den Ursprung etc. der Rastafari Bewegung. Innerhalb von nur 5 Minuten haben wir also alle wesentlichen Informationen, die wir suchten, gefunden.

Eine Beschränkung auf die deutsche Sprache wäre nicht ganz so effizient gewesen, aber sie hätte uns auch einige weiterführende Dokumente gebracht, vor allem Querverbindungen zum Thema Reggaemusik und dabei insbesondere auf die Person und die Musik von Bob Marley. Die Suche bei der deutschsprachigen Suchmaschine Lotse.de hätte uns vielleicht auf die Homepage eines Schülers eines Musik-Gymnasiums gebracht, der sich für Reggae interessiert und Informationen zu Rastafari zusammengetragen hat .

Man kann nun die gleichen Schritte mit anderen deutschsprachigen Suchmaschinen fortsetzen oder einige der religionskundlichen Verzeichnisse im Netz ansteuern und dort sein Glück versuchen. Wir aber brechen unsere Suche an dieser Stelle ab, weil es ja nur um das Verfahren derartiger Recherchen ging. Es bleibt natürlich auch hier wieder die Frage nach der Zuverlässigkeit der Quellen. Auch hier muß durch unabhängige Quellen die Solidität des Erarbeiteten überprüft werden.

© Andreas Mertin