Drommetenrot!

Der Konflikt von epiphaner Kunst und Symboldidaktik

Von Andreas Mertin

aus: Bernhard Dressler (Hg.), Symbole und Metaphern.
Beiträge zu einer kritischen Bestandsaufnahme der Symboldidaktik. Loccum 1995, S. 63-77.

Eine kleine Erzählung von der Evidenz des Sinnlichen

Eine dichte Wolke Rauchs erhob sich aus dem Feuer und wuchs in die Höhe und umhüllte den Meister, und für eine Weile entschwand er meinen Augen. Aber sowie der Rauch sich verzogen hatte, warf Messer Salimbeni von neuem Räucherwerk in die Flammen. Dann fragte er: "Was siehst du nun, Giovansimone?" ..."Ich sehe", sagte der Meister, "zackige Felsen und Klüfte und Schluchten und steinerne Grotten. Und ich sehe einen Felsen, schwarz von Farbe und frei in der Luft schwebend, und er stürzt nicht nieder, was ein großes Wunder und kaum zu glauben ist." "Das ist das Tal Josaphat", rief Meister Salimbeni. "Und der schwarze Felsen, der in den Höhen schwebt, ist Gottes ewiger Thron. Und wisse, Giovansimone: Die Erscheinung des Felsens ist mir ein Zeichen, dass es dir bestimmt ist, in dieser Nacht noch so Gewaltiges zu sehen, wie nie ein Mensch vor dir erschaut hat." ... "Und jetzt sehe ich Tausende und aber Tausende, eine unendliche Schar, Ritter und Ratsherren und reich geschmückte Frauen, die recken die Arme empor und weinen und es ist ein großes Wehklagen unter ihnen." "Sie klagen", rief Messer Salimbeni, "um das, was gewesen ist und nicht mehr sein kann. Sie weinen, weil sie verdammt sind zur Finsternis und auf ewig beraubt des göttlichen Angesichts." "Ein ungeheures Feuerzeichen steht am Himmel", schrie der Meister, "Und es leuchtet in einer Farbe, die ich nie zuvor gesehen habe. Wehe mir! Das ist keine irdische Farbe, und meine Augen ertragen sie nicht." "Das ist die Farbe Drommetenrot", rief Messer Salimbeni mit donnernder Stimme. "Das ist die Farbe Drommetenrot, in der die Sonne leuchtet am Tage des Gerichts."[1]

Das ist ein Ausschnitt aus dem 20. Kapitel des Romans "Der Meister des Jüngsten Tages" von Leo Perutz aus dem Jahre 1923. Erzählt wird die Geschichte des florentinischen Malers Giovansimone Chigi. Dieser hat im Jahr 1532 ein Rauschmittel von dem Arzt Salembeni bekommen, um seiner vertrockneten Malerphantasie durch Geschichten und Visionen auf die Beine zu helfen. Während seines Rausches hat Chigi eine Vision des Jüngsten Gerichts, er sieht die grauenvolle Farbe Drommetenrot am Himmel, wird von den Dämonen der Hölle gehetzt und hätte sich selbst das Leben genommen, wenn er nicht durch einen Schlag gegen die Stirn davor bewahrt worden wäre. Fortan ist der Maler wahnsinnig, lebt in einem Kloster und malt nur noch ein Motiv: das Jüngste Gericht. Und auch jeder, der in späteren Zeiten auf den Spuren des Malers Chigi von diesem Rauschmittel nimmt, hat eine Vision seines Jüngsten Tages, denn das Mittel wirkt äußerst stimulierend auf den Sitz des Vorstellungsvermögens. Es macht die sinnliche Erscheinung vollkommen und bereitet Genuss wie Schrecken erfüllter Gegenwart.[2]

Drommetenrot bezeichnet also in Perutz' Roman die Farbe der Sonne am Tage des Jüngsten Gerichts, eine Farbe, die unmittelbar sinnlich affiziert und im Moment ihrer Erscheinung und keinesfalls erst vermittelt das Jüngste Gericht über den Wahrnehmenden bringt. Drommetenrot verweist nicht auf das Jüngste Gericht, es vollzieht das Jüngste Gericht selbst. Nicht nur in der Moderne sind die Kunstwerke mit der Farbe Drommetenrot und ihren sinnlichen Folgen untrennbar verbunden. Vom Drommetenrot zehrt alle große Kunst. So beschreibt es auch der fiktive Herausgeber der Erzählung: Nicht in gedankenlose Beifallsstürme vor Kunstwerken will er ausbrechen, sondern im Bedenken auf den impliziten Gehalt aller Kunst: In den großen Symphonien der Töne, der Farben und der Gedanken, in ihnen allen sehe ich einen Schimmer der wunderlichen Farbe Drommetenrot. Eine ferne Ahnung der großen Vision, die den Meister (scil. des Jüngsten Gerichts) für eine kurze Weile über die Wirrnis seiner Schuld und Qual emporgetragen hat.[3]

Drommetenrot, so hat es Theodor W. Adorno verstanden, ist das Erscheinende, das Unsubsumierbare der Kunst, das nicht als Symbol und damit als Verweis auf ein Drittes eingeholt und verstanden werden kann, es ist daher eher dem Rausch als der intellektuellen Erfahrung entsprungen.[4] Und so hat die Farbe Drommetenrot im Roman den Charakter einer eigenständigen Macht. In diesem Augenblick erschien am Himmel ein ungeheures Meer von Glut, das loderte und brannte in einer Farbe, die ich nie zuvor gesehen hatte, und ich kannte ihren Namen, Drommetenrot hieß sie, meine Augen waren geblendet von dem Orkan der grauenvollen Farbe, Drommetenrot war ihr Name, und sie leuchtete dem Ende aller Dinge.[5]

Perutz' Drommetenrot soll im folgenden als Paradigma dienen, um in Auseinandersetzung mit Entwürfen der Symboldidaktik zwischen den Symbolisierungsleistungen, die Bildern dort zugewiesen werden, und dem epiphanen Charakter der Kunst zu unterscheiden. Kunst ist, verkürzt auf eine These, das aller Symboldidaktik Widerstreitende: Nachzuweisen wäre, dass Symbole oder, sprachlich, Metaphern in der neueren Kunst tendenziell sich gegenüber ihrer Symbolfunktion verselbstständigen und dadurch zur Konstitution eines zur Empirie und ihren Bedeutungen antithetischen Bereichs das Ihre beitragen. Kunst absorbiert die Symbole dadurch, dass sie nichts mehr symbolisieren.[6]


Wie sieht die Symboldidaktik die Kunst?

Bevor ich auf diese These genauer eingehe, noch einige Bemerkungen dazu, unter welchem Blickwinkel die Symboldidaktik die Kunst wahrnimmt. Vorstellbar scheint doch auch eine Symboldidaktik, die auf den Einsatz von Kunst verzichtet und sich statt dessen den Symbolen der Alltagskultur zuwendet, wie sie sich z.B. in den Video-Clips der Musikszene in Fülle finden und zwar nicht nur als kulturindustriell zugerichtete Zeichen, sondern auch als authentische Symbole der Lebenswelt der Schüler.[7] Wenn sich die Symboldidaktik dennoch mit der Kunst auseinander setzt, so muss diese für sie von besonderem Interesse sein. Auffallend ist jedenfalls, dass fast jede Symboldidaktik sich auch zum Bild äußert. Deshalb stellt sich die Frage: Was will die Symboldidaktik von der Kunst? Wie verhält sich das zum Selbstverständnis der Kunst? Und wie wird in den verschiedenen symboldidaktischen Entwürfen mit der Kunst umgegangen? Auch dieser Umgang läßt sich literarisch umschreiben:

Wie wundervoll sind diese Wesen,
Die, was nicht deutbar, dennoch deuten,
Was nie geschrieben wurde, lesen,
Verworrenes beherrschend binden
Und Wege noch im Ewig-Dunkeln finden.[8]


Hubertus Halbfas

Hubertus Halbfas hat in seinem Klassiker der Symboldidaktik "Das dritte Auge" ein eigenes Kapitel der Bilderfrage gewidmet.[9] Neben einer überzeugenden Kritik der verbilderten Praxis der Schulbücher und einer, weniger überzeugenden, Kritik am optischen Zeitalter differenziert Halbfas bezüglich der Bilder und ihrer Wahrnehmung zwischen einem "äußeren Sehen" und einem "inneren Schauen"[10]. Ersterem werden auch die Werke der Kunstgeschichte zugeordnet:

Die Museen sind Tempel unersättlicher Schaulust, wie auch überall dort, wo berühmte Bilder in Kirchen betrachtet werden können - etwa in Colmar Martin Schongauers Madonna oder jene des Matthias Grünewald in Stuppach die Altäre Riemenschneiders ... - nirgendwo sind Beter anzutreffen, sondern Menschen, die ästhetische Freude suchen. Diese Kunst dient der Augenweide. Sie setzt Menschen voraus, die genießen wollen und dies um so mehr tun, je freier sie mit ihren Blicken das Bild durchwandern können.[11]

Dem inneren Schauen ordnet Halbfas dagegen das Meditationsbild zu - als Beispiel nennt Halbfas Hildegard von Bingens "Die wahre Dreiheit in der wahren Einheit". Hier gehe es "um eine tiefer gründende Wirklichkeit", zu rechnen sei mit einer "inneren Korrespondenz zwischen dem Bild und der Seele des Menschen". Halbfas kann sogar neuplatonisch auf Urbild-Bild-Relationen zurückgreifen. Diese "nicht zufälligen Bilder einer letzten und universalen Ganzheit" sind für ihn "Epiphanien, durch deren Ein-Bildung der Mensch in Übereinstimmung mit den ihn konstituierenden Urbildern gelangt.[12]

In den Unterrichtswerken für die Schuljahrgänge 5-10[13] hat Halbfas seine ausgrenzende Haltung gegenüber der bildenden Kunst offensichtlich revidiert. Hier findet sich eine Fülle von Abbildungen von Werken aus der Kunstgeschichte. Bild und Text werden hier immer wieder gegenübergestellt. Allerdings befremdet hier die Fülle der Bilder schon wieder. Zudem ist oftmals die Zuordnung für den Schüler nicht durchschaubar. Erst mit dem Lehrerhandbuch[14] wird die Platzierung der einzelnen Werke einsichtig, aber nicht unbedingt plausibel. Im Kontext des Schülerbuches selbst reduzieren sich die Kunstwerke auf ihre illustrative Funktion, ja auf schmückendes Beiwerk.[15] Der Lehrer dagegen - bewaffnet mit dem didaktischen Kommentar - ist dem Schüler immer schon einen Schritt voraus. Damit tritt aber das ein, was Umberto Eco als Analogie von Mittelalter und Jetztzeit beschreibt: "In beiden Epochen räsoniert die Bildungselite anhand der geschriebenen Texte mit buchgläubiger Mentalität, aber dann übersetzt sie die essentiellen Daten des Wissens und die Grundstrukturen der herrschenden Ideologie in Bilder."[16]


Peter Biehl

Peter Biehl ist in verschiedenen Kontexten vor allem der Bedeutung der Ästhetik für den Religionsunterricht nachgegangen und hat dabei auch die bildende Kunst thematisiert.[17] Er spricht allerdings in der Regel weniger von Kunst als vielmehr vom Bild, ohne im einzelnen auf die spezifische Differenz von Bild und Kunst einzugehen. Bezüglich des Bildbegriffs schreibt er: Wir haben also mit einem weiten und einem engen Bildbegriff zu rechnen. Im weitesten Sinn ist das Bild 'Gegenstand' eines Anschauens es ist alles, was sich zeigt: das sich Zeigende überhaupt, Anblick und Erscheinung. Im engeren Sinne ist das Bild das Gemälde, das Photo ..., also das 'Bild eines Bildes'. Als Erscheinung bringt es zugleich ein anderes zum Erscheinen, nämlich das im Bild Dargestellte.[18]

Biehl konzentriert demnach seine Aufmerksamkeit auf die Darstellungsfunktion der Bilder. Authentische Kunstwerke, so meint er, entbinden in einen rückschauenden Wiedererkennen Erinnerungspotentiale und in vorwärts gewandter Bewegung Visionen.[19] Kunst leistet also Vision und Re-Vision, sie erinnert uns an Vergangenes und öffnet (utopische) Hoffnungs-Perspektiven.

Biehl ordnet Kunstwerke in den Rahmen allgemeiner Bildtheorien ein: Bilder als Symbole verweigern den Aufenthalt bei ihnen und sind unterwegs zu dem, worauf sie deuten. Und er räumt ein: 'Wirkungen' können um so eher von den Bildern ausgehen, je weniger sie - auch didaktisch - funktionalisiert werden. Einerseits ist also die Eigenständigkeit und Widerständigkeit der Kunst zu wahren andererseits ist nach didaktischen Kriterien auszuwählen. Die Kunst bleibt im Spannungsfeld von Eigenwert und Funktionswert. Wo die Spannung des Lebens zum Ausdruck gebracht, Erfahrungen vertieft und intensiviert werden, können Bilder unabhängig von ihrer gegenständlichen und thematischen Bedeutung für den Religionsunterricht in Betracht kommen sie müssen also nicht eine explizit religiöse Thematik haben.[20]

Kunst begreift Peter Biehl vor allem als Darstellung (von etwas), als "Bild eines Bildes". Selbst da, wo Biehl von der "sinnlichen Evidenz" der Kunst spricht, davon, dass diese "am Material (Farbe, Stein usw.)" sichtbar werde, geht es doch nur um die sinnliche Vermittlung von Inhalten.[21] Gedeutet werden die Kunstwerke im Blick auf die Akzentuierung, die sie inhaltlich dem Dargestellten geben.[22] Die formale Gestaltung der Werke spielt dagegen keine Rolle, dazu wird auf die Behandlung im Kunstunterricht verwiesen.[23]


Kunstkenntnis, Kunsterfahrung, epiphane Kunst

Um nun meine These vom Widerstreit zwischen Kunst und Symboldidaktik plausibel zu machen, ist ein Blick auf die neuere Kunst und Ästhetik nötig. Mein Rekurs auf das Wesen der Kunst mag den irritieren, der von der Kunst vor allem eine Symbolisierungsleistung erwartet und weiterhin von einem tertium comparationis ausgeht, auf das Kunst uns verweist. Nach einem populären Verständnis liegt die Eigenart der Kunst in einer besonderen, eben ästhetischen Präsentationsweise der Gegenstände, mit denen sie sich beschäftigt. Dementsprechend muss man die Gegenstände und das Verfahren des Künstlers kennen, um das Kunstwerk zu verstehen.

Im Spiegel fand sich einmal eine Anzeige der Firma Ruhrgas, die den Titel trug: Kunst kommt von kennen.[24] Zu sehen sind zwei Kinder vor einer archaisch anmutenden Statue, daneben eine Zeichnung des Kopfs von Vincent van Gogh. Der Text der Anzeige lautet: Nur was wir kennen, können wir verstehen. Und nur, was wir verstehen, können wir wertschätzen. An anderen Menschen, an anderen Kulturen und an anderen Ländern. Fremdes nahe zu bringen war und ist das Ziel der von Ruhrgas geförderten Ausstellungen ... Auf dem Wege der Kultur wollen wir helfen, Grenzen zu überwinden und (neue) Verbindungen zu schaffen.

Mit dieser Anzeige ist ein populäres, aber auch unter Fachwissenschaftlern verbreitetes Verständnis der Kunstannäherung und -vermittlung beschrieben.[25] Prinzipiell ist Kunst demnach verstehbar und das Verständnis des Werks ist das Ziel der Kunstbegegnung. Scheiternde Annäherungen an Kunst und Kultur werden auf mangelndes Verstehen zurückgeführt. Deshalb kommt es darauf an, den Menschen den Verstehensakt durch Hilfestellungen zu erleichtern.

Diese Auffassung ist in doppelter Hinsicht richtig und doch ganz einfach falsch. Kunst kommt insofern von kennen, als wir uns in der Welt auskennen müssen, bevor wir abweichende Erfahrungen machen können. Mit der Kunst machen wir nämlich eine Erfahrung, die vom gewohnten Weltverstehen abweicht.[26] Und Kunst kommt insofern von kennen, weil wir wissen müssen, dass hier ein Objekt, ein Material mit dem Anspruch, Kunst zu sein, auftritt. Ohne dieses Wissen bleibt ein Objet trouvé Abfall und liegt "in seiner Blöße und Fehlbarkeit zu Tage", es ist wirklich nur noch "Idiotie".[27] Daher ist Wissen und Reflexion zur Kunstwahrnehmung unentbehrlich und insofern kommt Kunst tatsächlich von kennen.

Aber, darauf verweisen Ästhetik wie Kunst im 20. Jahrhundert, Kunst kann man dennoch nicht kennen, zumindest nicht im Sinne eines verstehenden Erfassens, das uns zu der Erkenntnis gelangen ließe, wie das vor uns erscheinende Objekt gedeutet werden muss.

Kunstwerke gehören zu den Dingen, die wir keiner Ordnung einfügen können, hier steht der Anschauung kein Begriff zur Verfügung. Daher sind wir gezwungen, einen Begriff zu suchen, nachzudenken, zu reflektieren. Genau diese Denk-Bewegung findet gegenüber Kunstwerken statt. Jeder Versuch, ein Kunstwerk begrifflich zu erfassen, scheitert und dennoch werden wir angetrieben, einen neuen Versuch zu wagen. Der Intellekt bekommt Arbeit, er muss etwas denken, für das es keine Verstandeskategorien gibt. Dieser Prozess der Denkarbeit gegenüber Kunstwerken kann als 'ästhetische Erfahrung' bezeichnet werden.[28] Ihr Reiz liegt nicht zuletzt in der fehlenden Finalisierbarkeit des Urteils.

Ästhetische Erfahrung kann man nur abbrechen, nicht still stellen. Zwar kann man auch am Kunstwerk registrieren, Material, Farbe, Form, Symmetrie, Abbildungstreue, Klarheit etc. untersuchen und beschreiben, aber diese Dinge sind dem Kunstwerk äußerlich, sie bilden das außerästhetische Substrat.


Abschied vom Tafelbild

Und noch eine andere Entwicklung ist für das Verhältnis der Kunst zur Symboldidaktik wichtig. Im 20. Jahrhundert findet in der bildenden Kunst eine immer strengere Prüfung der Bildmittel und der Bedingungen des künstlerischen Schaffens statt. Dabei werden bis dahin für konstitutiv gehaltene Eigenschaften der Kunst aufgegeben, immer stärker bezieht die Kunst sich auf sich selbst.

So wendet sich die künstlerische Avantgarde des 20. Jahrhunderts gegen den Gedanken der Repräsentation, gegen die Beziehung der Kunst auf außerästhetische Gegenstände: Man sah also im Bild nicht mehr Menschen, Landschaften, Dinge, gebildet mit Farben, Flächen und Linien, sondern man sah: Farben, Flächen und Linien, anhand von Menschen, Landschaften und Dingen in der Fläche organisiert.[29] Picassos "Les Demoiselles d'Avignon" ist eine aussagekräftige Visualisierung dieses Prozesses: Was wir dort noch ansatzweise erkennen, schließt sich nicht zum Gegenstand, sondern löst ihn ausdrücklich auf. Unser Identifizieren wird ständig zurückgeworfen auf die bildnerischen Vorgänge, die dadurch unmittelbar zum Ausdruck werden, ohne dass wir diesen noch in einen Gegenstand verlegen könnten.[30]

Die Bestimmung ästhetischer Erfahrung als ein verstehendes Erfassen ist daher zurückzuweisen. Die Kunst unterscheidet sich von allen anderen menschlichen Verrichtungen dadurch, dass es in ihr darauf ankommt, das Material zu sich selbst kommen zu lassen. Kunst präsentiert sich selbst. Während alle anderen Diskurse verweisend (referentiell) organisiert sind und sich durch automatische Urteile (im Sinne der Finalisierbarkeit der Urteilsbildung) auszeichnen, verharrt das ästhetische Zeichen und seine Erfahrung in einem unendlichen, nicht finalisierbarem Prozess.

Theologen wie Religionspädagogen stehen aus verschiedenen Gründen in der Gefahr, dass sie die konstitutiven Umbrüche in der Kunst des 20. Jahrhunderts nicht wahrnehmen, dass sie Kunstwerke, deren implizite Intention die Zerstörung des Tafelbildes ist, wie Tafelbilder behandeln. Durch die klassische Kunstgeschichte sind Theologen und Religionspädagogen an Tafelbilder gewöhnt, es fällt ihnen schwer, sich vom Gedanken der (Re-)Präsentation (nicht nur der Heilsgeschichte) zu verabschieden.[31]

Dabei stellen sie jedoch nur eine ins Extrem gesteigerte Variante der Alltagswahrnehmung von Kunst dar, die ebenfalls, wie Paul Valery einmal schrieb, nicht mit den Augen, sondern mit dem Wörterbuch geschieht: Die meisten Leute nehmen die Welt viel häufiger mit dem Verstand als mit den Augen wahr. Anstelle farbiger Räume nehmen sie Begriffe in sich auf. Eine kubische weißliche Form, die hochsteht und mit Reflexen von Glasscheiben durchschossen ist, nennen sie mir nichts dir nichts ein Haus, was für sie soviel heißt wie: Das Haus![32] Statt dessen gilt es sich daran zu erinnern, dass ein Gemälde - bevor es ein Schlachtross, eine nackte Frau oder irgendeine Anekdote ist - wesentlich eine ebene Oberfläche ist, bedeckt mit Farben in einer bestimmten Anordnung.[33]

Es gehört zum problematischen Erbe des Protestantismus, dass wir uns den Worten so ausliefern, dass wir selbst die Welt begrifflich umstellen und sinnliche Apperzeption, ein Verstehen mit den Augen nicht mehr zulassen. Aufzugreifen wäre der Vorschlag des Kunsthistorikers Max Imdahl, zwischen einem wiedererkennenden Sehen, das die Malerei auf außerbildlich bekannte Daten bezieht, und einem sehenden Sehen, das sich auf das einlässt, was die Malerei durch sie selbst an Sinnesdaten hervorbringt, zu unterscheiden.[34] In den Blick käme so stärker das Kunsthafte der Kunst.


Duchamp und die Folgen

Der Vorgang der Kunst-Werdung hat elementare Folgen nicht nur für unsere Weltwahrnehmung, sondern auch für das Verständnis von Symbolen in der Kunst. Es läßt sich an den Ready-mades von Marcel Duchamp zeigen, wie durch Auswahl und Dekontextualisierung ein Objekt zu einem ästhetischen Kunst-Objekt wird.

Duchamp hatte alltägliche Gegenstände wie ein Urinoir, ein Fahrrad-Rad und einen Flaschentrockner ohne Eingriff in ihre Erscheinungsform zu Kunstwerken erklärt. Ist das gesellschaftlich anerkannt, kann jedes Objekt, jedes Bild, jedes Symbol und jeder Diskurs einer derartigen Dekontextualisierung unterzogen werden. Wenn wir die ästhetische Erfahrung gegenüber einem Objekt geltend machen, verselbständigen wir es gegenüber der Funktion, die es im nichtästhetischen Kontext hatte.

Für den religiösen Diskurs und die Symbole bedeutet das, dass dort, wo die autonom gewordene Kunst sich deren Motive aneignet, sie diese in ästhetische Objekte verwandelt, sie aus ihrem Kontext löst und in ihrer Selbstbezüglichkeit darstellt. Deshalb unterscheidet sich das Urinoir von Marcel Duchamp in ästhetischer Perspektive nicht von einem Farbkissen von Gotthard Graubner, einer Installation von Josef Beuys oder einem Christusbild von Georges Rouault. Wer vor einem Christusbild oder einer Abendmahlsdarstellung eine andere Haltung einnimmt als vor dem Urinoir, dem Farbkissen oder einer Installation, verhält sich nicht ästhetisch, er nimmt das Christusbild oder die Abendmahlsdarstellung nicht als Kunstwerk wahr.

Man kann ein Bild unter religiösen Aspekten betrachten - dann vernachlässigt man seinen spezifisch künstlerischen Charakter und degradiert es zum bloßen Bild, oder man kann es ästhetisch betrachten - dann interessiert seine religiöse (Be-) Deutung nur am Rande. Ästhetische Erfahrung und religiöse wie symbolische Betrachtung schließen sich aus.

Es wäre zwar verfehlt, vom Ende der religiösen Intention einzelner Künstler und ihrer Kunstwerke zu sprechen. Aber die religiöse Funktion kommt ihnen nicht objektiv zu (sie hat mit dem Kunst-Charakter nichts zu tun), sondern wird in der Rezeption an sie herangetragen. Ähnliches gilt für die Symbolisierungsleistungen, die Kunstwerken zugeschrieben werden. Auch sie werden von außen an die Kunst herangetragen. Kunstwerke kommen nur dort zu ihrem Recht und entfalten nur da ihre Produktivität, wo sie in ihrem Kunst-Charakter wahrgenommen werden, und ihre Autonomie geachtet und gewahrt bleibt.


Kunst und Epiphanie

Die sinnliche Evidenz der Kunst kann verschieden umschrieben werden. Drommetenrot ist ein Wort dafür, Souveränität[35], Plötzlichkeit[36], Aura[37], Augenblick[38] sind andere. Eine Möglichkeit, von der hier Gebrauch gemacht wird, ist die Rede vom epiphanen Charakter der Kunst. Den Epiphanie-Charakter der Kunst hat vor allem Theodor W. Adorno betont:

Kunstwerke sind neutralisierte und dadurch qualitativ veränderte Epiphanien. Sollten die antiken Gottheiten an ihren Kultstätten flüchtig erscheinen ..., so ist dies Erscheinen zum Gesetz der Permanenz von Kunstwerken geworden um den Preis der Leibhaftigkeit des Erscheinenden. Am nächsten kommt dem Kunstwerk als Erscheinung die apparition, die Himmelserscheinung. Mit ihr halten die Kunstwerke Einverständnis, wie sie aufgeht über den Menschen, ihrer Intention entrückt und der Dingwelt ... Beredt werden sie kraft der Zündung von Ding und Erscheinung. Sie sind Dinge, in denen es liegt zu erscheinen. Ihr immanenter Prozeß tritt nach außen als ihr eigenes Tun, nicht als das, was Menschen an ihnen getan haben und nicht bloß für die Menschen. Prototypisch für die Kunstwerke ist das Phänomen des Feuerwerks ... Es ist apparition jas' novgm: empirisch Erscheinendes, befreit von der Last der Empirie als einer von Dauer, Himmelszeichen und hergestellt in eins, Menetekel, aufblitzende und vergehende Schrift, die doch nicht ihrer Bedeutung nach sich lesen läßt.[39]

Die Beschreibung der Kunst als Epiphanie, Himmelserscheinung, von unsichtbarer Hand geschriebenes Menetekel, nimmt diese als rätselhafte Zeichen, welche ebenso nach Deutung heischen, wie sie sich zugleich der hermeneutischen Inbesitznahme verweigern. Alles, was gelingen kann, ist "den Grund ihrer Unbegreiflichkeit zu bestimmen".[40] Adorno, Philosoph und Künstler zugleich, verdanken wir auch eine Beschreibung der Wirkung epiphaner Kunst

Betroffenheit durch bedeutende Werke ... gehört dem Augenblick an, in denen der Rezipierende sich vergisst und im Werk verschwindet: dem von Erschütterung. Er verliert den Boden unter den Füßen die Möglichkeit der Wahrheit, welche im ästhetischen Bild sich verkörpert, wird ihm leibhaft. Solche Unmittelbarkeit im Verhältnis zu den Werken, eine im großen Sinn, ist Funktion von Vermittlung, von eindringender und umfassender Erfahrung diese verdichtet sich im Augenblick, und dazu bedarf es des ganzen Bewusstseins, nicht punktueller Reize und Reaktionen. Die Erfahrung von Kunst als die ihrer Wahrheit oder Unwahrheit ist mehr als subjektives Erlebnis: sie ist Durchbruch von Objektivität im subjektiven Bewusstsein ... Urteilslos deuten die Kunstwerke gleichwie mit dem Finger auf ihren Gehalt, ohne dass er diskursiv würde.[41]

In ihrer Wirkung ist Kunst der Religion analog, ohne dass sie dieser zugeschlagen oder zugunsten dieser funktionalisiert werden könnte. Epiphanie ist keine säkularisierte Theophanie: Kunstwerke verbieten sich durch Autonomie ihrer Gestalt, das Absolute in sich einzulassen, als wären sie Symbole. Die ästhetischen Bilder stehen unter dem Bilderverbot.[42]


Zum Konflikt von epiphaner Kunst und Symboldidaktik

Was folgt aus all dem für die symboldidaktische Beschäftigung mit der Kunst? Jede der Präzisierungen, die für das Symbolverständnis im Rahmen der Symboldidaktik vorgeschlagen werden, widerstrebt zutiefst den ästhetischen Errungenschaften der modernen Kunst.

Wenn man das Symbol mit dem Begriff der Repräsentation zu fassen sucht, wenn man Symbole als Bedeutungsträger versteht, wenn Peter Biehl schreibt, Bilder als Symbole verweigern den Aufenthalt bei ihnen und sind unterwegs zu dem worauf sie deuten, dann wird jedesmal eine Differenz zum Selbstverständnis der Kunst markiert.

Kunst bricht spätestens im 20. Jahrhundert mit dem Gedanken der Repräsentation, sie präsentiert sich selbst, sie arbeitet mit Intensitäten, sie verweigert die Rolle als Bedeutungsträger. Kunst erzwingt die unbedingte und unmittelbare Konzentration des Betrachters und verweigert sich dennoch jedem Verstehen. Kann Symboldidaktik diesen Bedingungen gerecht werden?

Die Kritik, die ich im folgenden an der symboldidaktischen Vereinnahmung der Kunst übe, trifft auch meine eigenen Versuche, Kunstwerke mit religiöser Thematik für den Unterricht zu erschließen, sowie das grundsätzliche Unternehmen, Kunstwerke thematisch zu erarbeiten. Zwar schließt die themenorientierte Behandlung von Kunstwerken die Berücksichtigung formaler ästhetischer Aspekte nicht aus, aber sie steht ihr oft im Wege. Dieser Widerstreit von pädagogisch-funktionaler Intention und ästhetisch-souveränem Eigenwert der Kunst ist eines der grundsätzlichen Probleme beim adäquaten Umgang mit Kunst im Religionsunterricht.[43]

In "Symbole geben zu lernen I" finden sich zahlreiche Kunstwerke unterschiedlicher Qualität. Zu nennen sind u.a. Arbeiten von Rembrandt, Brueghel, Hundertwasser, Zacharias sowie weitere Darstellungen aus der Kunstgeschichte. Alle Arbeiten sind religiös präfiguriert, selbst Hundertwassers "Großer Weg" wird von einem religiösen Text des Künstlers unterlegt. Die Umgangsweise mit den Werken läßt sich schnell beschreiben: sie dienen einer Einfühlungsästhetik und werden im wesentlichen als Illustrationen des Textes, manchmal auch als "Interpretament der Überlieferung"[44] verstanden. Beim Rembrandt-Bild wird von vornherein die Begegnung so angelegt, dass ästhetische Erfahrung gar nicht stattfinden kann. Bei der Erschließung des Hundertwasser-Bildes ist jede Beobachtung von Deutungen umstellt.[45] Ähnliches gilt für die anderen "Bilder" des Buches. Hier findet keine Wahrnehmung statt, hier wird allenfalls (theologisches) Wissen visuell bestätigt.

Die Sachlage ist bei "Symbole geben zu lernen II" etwas, aber nicht sehr viel besser. Auch hier finden sich ausschließlich Kunstwerke mit religiöser Thematik, wobei die künstlerisch-ästhetische Qualität sehr unterschiedlich ist. Die Liste der in den verschiedenen Entwürfen thematisierten Künstler ist beeindruckend: es finden sich Werke von Leonardo da Vinci, Lukas Cranach, diverse Kreuzigungsdarstellungen, Evangeliare aus dem 20. Jahrhundert Arbeiten von George Grosz, Alfred Hrdlicka, Harald Duwe, Lothar Fischer, Joseph Beuys, Otto Pankok, Marc Chagall, Franz Masereel, Siegfried Rischar, Ben Willikens, A.R. Penck schließlich Hinweise auf Arbeiten von Emil Nolde und Oskar Kokoschka. Freilich genügen andere Arbeiten, wie die von Willy Fries oder Thomas Zacharias, dem "Blick der Moderne"[46] nicht, sie zählen eher unter die Kategorie der religiösen Gebrauchskunst.

Zur didaktischen Zielsetzung des Umgangs mit Kunst wird ausgeführt: Das Bild kann den Text entfremden und ein neues Verständnis eröffnen. Der Text kann eine mögliche Lesart des Bildes verstärken.[47] Bilder werden als visuelle Verdichtungen von Erfahrungen[48] verstanden. Immer wieder tauchen Hinweise auf die Parallelität von Text und Bild auf, immer wieder werden die SchülerInnen aufgefordert, den biblischen Text den entsprechenden Darstellungen zuzuordnen. Orientierungspunkt ist und bleibt so der vorgegebene theologische Text: Die SchülerInnen sollten über die Beschreibung und Interpretation der Bilder ein tieferes Verständnis von der Bedeutung des Abendmahles in seiner theologisch-christologischen und anthropologischen Dimension erlangen.[49]

Um der Funktionalisierung der Bilder zu entgehen, sei man nach dem 'Fünf-Stufen-Plan' von Günter Lange[50] verfahren. Dieser hat für die Annäherung an Kunstwerke folgendes Verfahren vorgeschlagen: 1. Spontane Wahrnehmung (erste Kontaktaufnahme mit dem Bild, stilles 'Lesen', spontane Äußerungen); 2. Analyse der Formensprache bzw. Struktur des Bildes: "Außenkonzentration" (Beschreibung der 'Syntax des Bildes' [Lange] und der verschiedenen Codes [Stock] Perspektive, Farben, Kontraste, Landschafts- und Raumgestaltung, Kleidung, Mimik, Gestik der Personen); 3. "Innenkonzentration" (Assoziationen, Gefühle der Betrachter); 4. Analyse des Bildgehalts (Aussage des Bildes, Interpretation); 5. Identifizierung mit dem Bild (Wo finden sich die Betrachter im Bild wieder?).[51]


Im folgenden möchte ich den Umgang des symboldidaktischen Ansatzes mit zwei Kunstwerken genauer betrachten: Als Beispiele wähle ich die Abendmahlsdarstellungen von Ben Willikens und Harald Duwe.


Ben Willikens - Abendmahl

Signifikant ist der Widerstreit von symboldidaktischer Vereinnahmung und ästhetischem Eigenwert der Kunst bei Ben Willikens Abendmahl nach Leonardo da Vinci.[52] Willikens Arbeit - der sich weitere ästhetische Entdeckungsstudien kunsthistorischer Vorbilder anschließen[53] - ist eine atemberaubende Raumstudie, die jedem Betrachter vor Augen führt, was er alles an Leonardo da Vincis Abendmahl in ästhetisch-künstlerischer Perspektive übersehen hat. Es ist beeindruckend, wie einem hier vorgeführt wird, wie sehr man Leonardos Abendmahl ausschließlich als Illustration, und wie wenig man es als künstlerische Eigenleistung gesehen hat. Strich für Strich, Detail für Detail arbeitet Willikens die "Metaphysik des Raumes"[54] heraus.

Nach der Entwicklungslogik der Kunst des 20. Jahrhunderts kann davon gesprochen werden, dass Willikens versucht, das Anliegen der Konzept-Kunst im Medium des Tafelbildes in eine Bildsprache zu übertragen.[55] Wer darüber hinaus Willikens' Arbeit ausschließlich mit Leonardos Abendmahl konfrontiert, hat gar nicht verstanden, welche Provokation seine Arbeit der Rekonstruktion der Perspektive gerade im Rahmen der Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts darstellt, die doch gerade die Zentralperspektive mit großem Gestus verabschiedet hatte. Hier wird die ursprünglich auf den Menschen zentrierte Perspektive nach dem Tod des Subjekts wiederaufgegriffen: Der 'point of view', den Willikens hier durch die Perspektive vorgibt, ist nicht mehr der eines seiner [selbst] gewissen, das Maß ebenso setzenden wie verändernden Künstlers, der sich - in Stellvertretung durch andere Personen - ins Bild einbringt und dort seine Bedeutung im und für das Weltgeschehen zelebriert.[56]

Treffend hat Ben Willikens den Impuls, der hinter seiner Malerei steckt, so beschrieben: Ich male seit Jahren Innenräume von Innenräumen von Innenräumen. Und frage nach ihren leeren Zentren. Ihre Mitte scheint mir, war einst ausgefüllt mit dem Bild des Menschen als dem Zentrum der Welt, dem Maß aller Dinge. (Oder war das auch nur ein Traum von den Kollegen der Renaissance?) Mir ist das Menschenbild abhanden gekommen. Der einzelne Betrachter, das Individuum, ist die Figur, die zu meinem Bild gehört. Hier erhoffe ich einen Dialog.[57] Welch eine Dramatik! Das Individuum allein im Dialog vor und mit dem Kunstwerk wie der Protestant allein im Dialog vor und mit seinem Schöpfer steht.

Wie geht der symboldidaktische Entwurf mit diesem Werk um? In der Dramatik der visuellen Annäherung an das Abendmahl ist Ben Willikens Studie Endpunkt und Show-down zugleich. Nachdem die SchülerInnen zunächst Leonardo da Vincis Abendmahl studiert haben, sich dann in Siegfried Rischars Sinnbild eingefühlt haben, sich schließlich von Duwes kannibalistischem Szenario haben provozieren lassen, wird nun in der Abschlussdoppelstunde das Bild von Willikens gezeigt. Sinn dieser kunsthistorischen Geisterfahrt zwischen den Stilen und Zeiten ist es, wie freimütig zugegeben wird, dass die SchülerInnen am Ende durch zeichnerische Umgestaltung des Willikens-Bildes oder durch eine Collage eine persönliche Stellungnahme zum Thema 'Abendmahl heute' abgeben.[58} Das konkrete Kunstwerk ist dabei gar nicht mehr so wichtig.

Der die Anstrengungen der SchülerInnen um das Bild resümierende Satz Die Beschreibung und Interpretation des Abendmahlbildes von Willikens nahm nur fünfzehn Minuten in Anspruch und machte keine große Schwierigkeiten[59] verursacht mir allerdings ernsthaft Beklemmungen. Da hat ein bedeutender Künstler der Gegenwart mehr als zwei Jahre lang sich mit der ästhetischen Konstruktion eines der wichtigsten Werke der Kunstgeschichte auseinandergesetzt, hat wesentliche Stilprinzipien des 20. Jahrhunderts außer Kraft gesetzt, die Zentralperspektive restituiert und in ihrer Anthropozentrik relativiert und eine Schulklasse und ihre Lehrerin erledigen dieses Problem in fünfzehn Minuten.

Wirklich beeindruckend, zumal die Lehrerin dazu angibt, innerhalb dieser fünfzehn Minuten nach dem Fünf-Stufen-Plan von Günter Lange vorgegangen zu sein. 3 Minuten für die spontane Wahrnehmung, 3 Minuten für die Analyse der Formensprache, 3 Minuten für die Innenkonzentration, 3 Minuten für die Analyse des Bildgehalts, 3 Minuten für die Identifizierung mit dem Bild. Guten Abend, hier ist die Tagesschau: Alle Nachrichten der Welt im kompakten Überblick ... So geht es nicht!

Vor diesem Hintergrund ist die Nutzung der Arbeit von Willikens als Zeichenvorlage für die SchülerInnen - so legitim das nach einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Werk gewesen wäre - nur noch ein barbarischer Akt. Kein Wunder, dass keine der stolz präsentierten Schülerarbeiten der Dramatik seiner Vorlage auch nur annähernd gerecht wird. Munter füllen die Eleven das Bild mit Menschen - als ob der Mensch im späten 20. Jahrhundert noch am Leben wäre. Eine ästhetisch wie theologisch verpaßte Chance.


Harald Duwe - Abendmahl

Harald Duwes Abendmahlsbild hat eine bewegte und bewegende Geschichte hinter sich. Entstanden ist das Werk aus der Frage, ob es heute überhaupt noch möglich ist, ein religiöses bzw. christliches Werk zu schaffen. Das Bild ist die Antwort darauf.

Es ist ein Gruppenbild männlicher Personen um einen Tisch, auf dem neben Brot und Wein auch Herz und Kopf, Hände und Füße Christi dargereicht werden. Der Realismus in der Darstellungsweise zeigt sich unter anderem darin, dass die Gesichter die wirklich lebender, realer Personen sind. Im Mann mit dem Löffel in der Mitte erkennt man den Künstler selbst, die übrigen Personen sind die zuvor diskutierenden Freunde. Kleidung, Gestik, Mimik und Haaransatz sind genau getroffen ... Die Herausforderung Duwes besteht darin, dass er an dieser Stelle keineswegs 'symbolisch' wird, sondern dass er im Verzicht auf alle möglichen Verweise den Kopf und die herausgeschnittenen und abgeschlagenen Körperteile als reales Essen serviert. Der Abendmahlsgedanke wird sozusagen wörtlich genommen der zu Verspeisende erlangt die gleiche Evidenz des Realen wie die dargestellten Personen.[60]

Duwes Bild macht es dem pädagogischen Verwerter scheinbar leicht. Absehbar die Proteste frommer Christen, absehbar das goutierende Lächeln des kirchlich Distanzierten, absehbar das zustimmende Nicken des kulturanthropologisch Interessierten, absehbar das Kopfschütteln des künstlerisch Interessierten ob des kruden Realismus.[61] Das Bild scheint zu sehr auf die Nerven der Betrachter hin gemalt.

Und dennoch hat man es mit dem Bild nicht einfach. Der bei Biehl beschriebene Effekt, dass das Bild nicht sofort durchschaut wird, ist mir selbst bei Vorträgen mehrfach begegnet. Es bedarf der Aufmerksamkeit des Betrachters, das Arrangement als Inszenierung eines Bibeltextes oder seiner Wirkungsgeschichte zu durchschauen. Dabei ist es umso schwieriger, die Klippen der Vordergründigkeit des Realismus und der Penetranz des "das ist nur eine wortwörtliche Interpretation des Abendmahls" zu umschiffen.

Duwes Bild will bei seinem Anspruch ernst genommen werden, dass es die heute gültige Form eines religiösen Bildes darstellt. Deshalb ist es höchst problematisch, gleich von der Wahrnehmung des Werkes auf die Abendmahlslehren der Kirchen zu springen, wie es bei Peter Biehl geschieht. Bei Duwe geht es weniger um das Abendmahl, als vielmehr darum, ob religiöse Kunst in der Gegenwart noch symbolisch arbeitet. Das Problem kann am Streit zweier Auslegungen nachvollzogen werden: während die eine das Bild als Ende der Symbolik in religiöser Kunst deutet, heißt es bei Biehl: die Aufhebung der Symbole hat symbolische Bedeutung.[62] Genau dies, so hätte man erwartet, muss im Unterricht zum Thema werden. Aber es geschieht leider nicht.


Resümee

Trotz aller Einwände bleibt die Vielfalt der Kunstwerke, die für den symboldidaktisch orientierten Unterricht in "Symbole geben zu lernen I+II" ausgewählt wurden, vorbildlich. Im Gegensatz zu manchen anderen Unterrichtswerken und vor allem zu der Mehrzahl der Schulbücher[63], finden sich zu fast allen Werken substantielle Informationen und klare und für den Lehrer sicher hilfreiche Hinweise für ihren Kontext im Unterrichtsgeschehen. Man spürt den Entwürfen an, dass sie erprobt worden sind. Hier wird kein Kunstwerk vorgeschlagen, mit dem man nicht arbeiten kann.

Dennoch bleibt aber letztlich ein ästhetisches Defizit zu konstatieren, das hier zum Ausdruck kommt. Die Autoren trauen den Kunstwerken immer noch zu wenig zu. Für sie sind die Kunstwerke viel zu oft nur "Medium", nur "Gesprächsanlaß", nur "Überleitung zu theologischen Überlegungen" oder nur eine "Malvorlage". Man spürt zu wenig von der sinnlichen Evidenz der Kunst, von ihren Intensitäten, ihrem Überschuss über alles sprachlich zu Vermittelnde. Kunst ist hier zumeist nur ein anderer, eben visueller Ausdruck von dem, was im Unterricht zu sagen ist. Das ist für ein religionspädagogisches Programm, das sich dezidiert "ästhetisch" nennt und sich der ästhetischen Theorie der Gegenwart verpflichtet weiß, zu wenig.

Dabei kann man nicht unbedingt sagen, dass die Autoren die falschen Kunstwerke aussuchen, obwohl ein bißchen mehr Breite und vor allem mehr "Bilder unabhängig von ihrer gegenständlichen und thematischen Bedeutung"[64] den religionspädagogischen Bemühungen gut getan hätten. Die Autoren widmen, wie oben dargelegt, den einzelnen Werken als Kunstwerken einfach zu wenig Aufmerksamkeit. Oft hat man das Gefühl, es wäre völlig beliebig, ob es sich bei dem ausgewählten Material um ein Foto, ein Gemälde, ein Fernsehbild oder ein kunstgewerbliches Werkstück handelt.

Dabei muss man nicht notwendig Kataloge wälzen oder ein Experte sein, um sich mit Kunst intensiv und vor allem sachadäquat auseinander zu setzen, ein wenig guter Wille, sich der sinnlichen Evidenz der Kunst auszusetzen, etwas Bereitschaft, die Fremdheit des Kunstwerks einfach einmal stehen zu lassen und auszuhalten und sie nicht gleich zugunsten einer kurzschlüssigen Hermeneutik aufzugeben, würde schon viel helfen. Mit dem von den Autoren ausgewählten Material läßt sich viel mehr theologisch wie ästhetisch erarbeiten, als es in den vorgestellten Entwürfen geschieht.


Schlussfolgerung

Ich möchte die Ausführungen über den Konflikt zwischen epiphaner Kunst und Symboldidaktik nicht beenden, ohne noch einmal die Möglichkeiten des Umgangs mit Kunst im Religionsunterricht abzustecken. Kein Dilemma, ohne die Anstrengung, ihm zu entkommen.

Natürlich besteht eine Möglichkeit darin, Kunstwerke auch weiterhin zu Bildern zu machen, also bewusst das Anspruchsniveau herunterzuschrauben. Man sagt, mich interessiert nicht, was Kunst als ihr Spezifisches in die Welt einbringen will und kann, Drommetenrot hin oder her, mich interessiert das der Kunst entnehmbare sedimentierte Erfahrungspotential[65], also das, was mit oder gegen den Willen des Produzenten aus den Kunstwerken herauszulesen ist. Bearbeitet wird aus dieser Perspektive in der Regel die Sozialgeschichte der Kunst.

Mehr oder weniger bewusst gestehen das die Mehrzahl der religionspädagogischen Auseinandersetzungen mit Kunst ein, indem sie von Bildern statt von Kunstwerken sprechen. Dieser Weg soll hier nicht abgewertet werden, er ist angesichts dessen, dass es so wenig unkonventionelle Zugänge zu religionspädagogischen Themen gibt, eine durchaus wertvolle Möglichkeit, durch Verfremdung zu religionspädagogischen Auseinandersetzungen zu kommen. Kunst ist ein fast unerschöpfliches Reservoir gesellschaftlicher Beobachtungen. Was für die historische Naturbeobachtung auf den Spuren der Landschaftsmalerei recht ist, mag der Theologie und Religionspädagogik auf den Spuren religiöser Motive nur billig sein.[66]

Anknüpfen kann man dabei an den Humanismus der Renaissance: Im Selbstverständnis jener Kunst und der sie begleitenden Reflexion ist das Übersetzungsproblem [von Wort und Bild] auf den Vergleich von Inhalten und den Aspekt ihrer angemessenen Darstellung reduziert.[67] Freilich geht dies nur um den Preis der kulturellen Moderne: In modernen Artefakten sind wir gezwungen, einen Sinn anzuerkennen, der den Dingen nicht ähnelt, für den keine literarische Vorformulierung existiert, der sich in kein präexistentes System von Konventionen der Erfahrung einbettet.[68] Die Grenze des Verzichts auf die Thematisierung des Kunsthaften der Kunst liegt daher in der Gefahr der Fehldeutung der Kunst, etwa wenn Werke, die Vorlagen der Kunstgeschichte künstlerisch-ästhetisch überprüfen, als Sachaussagen zum Bildinhalt und damit thematisch statt ästhetisch gewertet werden.

Eine weitere Möglichkeit besteht im Verzicht auf den Einsatz von Kunstwerken im Unterricht, weil es doch zu schwierig ist, dem im 20. Jahrhundert ausgearbeiteten Anspruch der autonomen Künste gerecht zu werden. Diesen Weg wählen viele, weil sie weder sich noch ihren SchülerInnen die ästhetischen Rezeptionsleistungen zutrauen, die Voraussetzung für die Begegnung mit moderner Kunst zu sein scheinen.

Fragen muss man sich dann jedoch, wie man in einer Welt des Logo-Zentrismus das Ganz-Andere der Vernunft bewusst machen will, wenn nicht im Rekurs auf die Evidenz des Sinnlichen.

Je mehr die Welt sich als die Zukunft ... behauptet, wo alles Wert haben wird, wo alles Sinn haben wird, wo das Ganze sich unter der Herrschaft des Menschen und für seinen Gebrauch vollendet, desto mehr scheint es, als müsse die Kunst bis zu dem Punkt hinabsteigen, an dem noch nichts einen Sinn hat, von um so größerer Bedeutung ist es, dass sie die Bewegung aufrechterhält, die Unsicherheit ... dessen, was sich jedem Zugriff und jedem Zweck entzieht.[69]

Schließlich bleibt noch die mir am plausibelsten erscheinende Möglichkeit[70], sich auch im Rahmen der Symboldidaktik dem Anspruch der autonomen Kunst im Religionsunterricht zu stellen, sich ihrer Fähigkeit auszusetzen, uns immer wieder produktiv zu irritieren, im Vollzug der ästhetischen Erfahrung alle gängigen Erwartungen zu durchbrechen, sowie neue Erfahrungen in Ganz zu setzen und verschüttete zu aktualisieren. Kunst kann - insofern die Beschäftigung mit ihrer eigenen Tradition, also auch der religiösen zu ihren Bedingungen gehört - einen positiven Beitrag zur Symbolkritik leisten.

Das setzt voraus, dass die Kunst als Kunst adäquat wahrgenommen werden muss und nicht als Grundlage für (verdeckte) theologische Aussagen herhalten darf ... Als Theologen sind wir auf die kunstwissenschaftlichen Resultate angewiesen und dürfen uns nicht daran vorbeimogeln, in der Meinung, wir hätten einen direkten Zugriff zum Eigentlichen. Eine theologische Wahrnehmung von autonomer Kunst darf ... nicht intentional richtungsbestimmend sein, sondern kann nur im Hören und Zuschauen dessen bestehen, was die Kunst ... aussagt.[71]

Kunstbegegnung hat freilich auch ganz praktische Konsequenzen für den Unterricht, insofern dessen Planbarkeit stark eingeschränkt wird, der Religionsunterricht wird zum offenen Unterricht, da alle am Unterricht Beteiligten sich den Unwägbarkeiten des Sinnlichen, der unkalkulierbaren Stimulation ihres Vorstellungsvermögens aussetzen müssen.[72] Kunst ist ein Krisenpotentierungspotential für den Unterricht. Aber dies ist in einer Welt voller Automatismen und selbstverständlicher Urteile ein wichtiger und produktiver Beitrag.


Anmerkungen

  1. Leo Perutz, Der Meister des Jüngsten Tages (1923). Reinbek bei Hamburg 1990, S. 161ff. Vgl. dazu Dietrich Neuhaus, Erinnerung und Schrecken. Die Einheit von Geschichte, Phantastik und Mathematik im Werk Leo Perutz'. Frankfurt u.a. 1984, insbes. S. 60ff.
  2. Vgl. Hans Robert Jauß, Ästhetische Erfahrung und literarische Hermeneutik. 2. Aufl. Frankfurt 1984.
  3. Nicht nur der bildenden Kunst eignet im Roman diese Unmittelbarkeit: Dieser zweite Satz des H-Dur-Trios, wie oft schon haben mich seine Rhythmen geängstigt und erschüttert, niemals habe ich ihn ohne tiefe Niedergeschlagenheit zu Ende zu spielen vermocht, und dennoch, ihm gehört meine leidenschaftliche Liebe. Ein Scherzo, ja. Aber welch ein Scherzo! Eine grauenvolle Lustigkeit hebt an, eine Fröhlichkeit, die einem das Blut erstarren läßt. Ein gespenstisches Gelächter fegt durch den Raum, ein wildes und düsteres Karnevalsrasen bocksfüßiger Gestalten, das ist der Anfang, so beginnt dieses sonderbare Scherzo. Und plötzlich löst sich aus dem Bacchanal der Hölle eine einsame Menschenstimme los, die Stimme einer verwirrten Seele, die Stimme eines angstgequälten Herzens schwingt sich auf und klagt ihr Lied. Aber da ist Satans Gelächter wieder, dröhnend fährt es in die reinen Klänge und zerreißt das Lied in Fetzern. Nochmals erhebt sich die Stimme, zaghaft und leise, und sie findet ihre Melodie und trägt sie hoch empor, als wollte sie mit ihr in eine andere Welt entfliehn. Doch den Dämonen der Hölle ist alle Macht gegeben, der Tag ist angebrochen, der letzte Tag, der Jüngste Tag, Satan triumphiert über die sündige Seele, und die klagende Menschenstimme stürzt herab aus den Höhen und versinkt in einem Judaslachen der Verzweiflung. Leo Perutz, Der Meister des Jüngsten Tages, a.a.O., S. 17. Zwei Dinge sind an dieser Beschreibung auffällig: zum einen zeigt die (gewollte) Parallelität der Rauscherfahrung des Malers Chigi mit der Musikerfahrung des Protagonisten des Romans, dass die Phantasie nicht notwendig künstlicher Stimulantien bedarf, sondern dass die Kunst selbst das Rauschmittel ist, in der diese Erfahrung vermittelt wird. Zum anderen scheint es so zu sein, dass im vorliegenden Fall nicht die Kunst die christliche Apokalypse erläutert, umsetzt oder illustriert - dann wäre in der Tat an eine symbolische Funktion der Kunst zu denken -, sondern dass hier vielmehr die religiöse Gedankenwelt zur Erläuterung des musikalischen Geschehens herangezogen wird. Religion würde so zum Symbol der Epiphanie der Kunst.
  4. Theodor W. Adorno, Ästhetische Theorie. (1969) Aus dem Nachlaß hg. von Gretel Adorno und Rolf Tiedemann. 5. Auflage. Frankfurt 1981, S. 129.
  5. Leo Perutz, Der Meister des Jüngsten Tages, a.a.O., S. 172.
  6. Theodor W. Adorno, Ästhetische Theorie, a.a.O., S. 147.
  7. Auch von den kulturindustriell zugerichteten Produkten müssen nicht alle unter den Tisch zu fallen. Zu denken wäre an bestimmte Werke der Werbung, etwa die preisgekrönten Filme für C&A-Produkte. Vgl. auch Gidion/Mertin/Wendt, Dem Mythos verpflichtet ...? Mythen in Alltag, Werbung und Kunst, forum religion 1/93. Die ambivalente Kritik, die Peter Biehl am Symbolsystem der Gesellschaft übt, vermag mich, auch in der moderateren Variante in "Symbole geben zu lernen II" (S. 239ff.), nicht zu überzeugen. Ich empfinde die Figuren der Video-Clips überhaupt nicht als Allegorien und ich glaube, Jugendliche auch nicht. Was berechtigt eigentlich einen Theologen, "seine" Symbole und die des christlichen Abendlandes für authentisch zu halten und die der Jugendlichen als oberflächlich zu denunzieren und in ihnen nur Sehnsüchte, aber keine Antworten zu sehen? Ich halte diese Art der Diagnostik für hoffnungslos modern und plädiere - ganz post-modern - für eine wesentlich offenere - meinetwegen auch unkritischere - Auseinandersetzung mit den Symbolen der Jugendkultur. Vielleicht gelingt es - das ist meine zuversichtliche Hoffnung -, dass wir Älteren unsere Symbole darin entdecken und mit den Jüngeren darüber kommunizieren können.
  8. Hugo von Hofmannsthal, Der Tor und der Tod zit. nach: Klaas Huizing, Der Buchtrinker, München 1994, S. 174.
  9. Hubertus Halbfas, Das dritte Auge, Düsseldorf 1982, S. 51ff.
  10. Ebenda, S. 59f.
  11. Ebenda, S. 61. Die Bilder von Relindis Agethen, die Halbfas in späteren Publikationen bevorzugt, tendieren in ihrem Kunstwert konsequenterweise gegen Null. Es ist allerdings die Frage, ob nicht gerade auch Werke der säkularen Kultur dem Differenzierungsprozeß von äußerem Sehen und inneren Schauen eine wertvolle Erkenntnishilfe geben können. Etwa wenn James Turell das Licht als Material benutzt, um das Empfindungsmedium zu bearbeiten und das dann so interpretiert: Ich bin daran interessiert, wo das Sehen-mit-geöffneten-Augen das innere imaginative Sehen trifft. Vgl. James Turell, Licht als Material. Ein Gespräch mit Frauke Tomczak, Kunstforum international Bd. 121, S. 350-367.
  12. Hubertus Halbfas, Das dritte Auge, a.a.O., S. 54.
  13. Hubertus Halbfas, Religionsbuch für das 5./6. (7./8. 9./10.) Schuljahr, Düsseldorf 1993f.
  14. Hubertus Halbfas, Religionsunterricht in Sekundarschulen, Lehrerhandbuch 5ff., Düsseldorf 1993ff.
  15. Darüber hinaus werden einige Kunstwerke ohne ersichtlichen Grund nur ausschnittweise dargestellt, was z.T. zu entstellenden Perspektiven führt, etwa wenn der Christus am Kreuz auf George Grosz' "Maul halten und weiterdienen" einfach um die Soldatenstiefel gekürzt wird, welche schließlich im Gotteslästerungsprozeß um dieses Bild eine entscheidende Rolle gespielt haben.
  16. U. Eco, Über Gott und die Welt, München 1985, S. 29.
  17. Peter Biehl, "Symbol und Metapher. Auf dem Wege zu einer religionspädagogischen Theorie religiöser Sprache". JRP 1, 1984, S. 29-64 ders., "Religionspädagogik und Ästhetik". JRP 5, 1989. S. 3-44 ders., Symbole geben zu lernen: Einführung in die Symboldidaktik anhand der Symbole Haus, Hand und Weg. Neukirchen-Vluyn 1989 ders., Symbole geben zu lernen II. Zum Beispiel: Brot, Wasser und Kreuz. Beiträge zur Symbol- und Sachensakramentendidaktik. Neukirchen-Vluyn 1993 ders., "Symbole geben zu verstehen. Zur praktisch-theologischen Bedeutung der Symbolhermeneutik P. Ricoeurs." In: Praktisch-theologische Hermeneutik. FS Henning Schröer, hg. von D. Zilleßen u.a. Rheinbach-Merzbach 1991, S. 141-160.
  18. Peter Biehl, Symbole geben zu lernen, a.a.O., S. 14f. (Anm.)
  19. Ebenda, S. 32.
  20. Ebenda, S. 32. Es wird noch zu überprüfen sein, ob und inwieweit Peter Biehl seiner eigenen Beschreibung folgt.
  21. Peter Biehl, Symbole geben zu lernen II, a.a.O., S. 184.
  22. Am deutlichsten wird diese Auffassung anhand der Frage des Fachlehrers in einem der Unterrichtsentwürfe, welches der Kunstwerke den Kreuzestod Jesu am angemessensten wiedergebe bzw. interpretiere. In der sich anschließenden Diskussion sei deutlich geworden, dass zur Beurteilung dieser Frage ein geeigneter Maßstab notwendig sei, nämlich eine genaue theologische Erarbeitung der Bedeutung des Kreuzestodes Jesu im Neuen Testament. Präziser kann das Mißverständnis dessen, was Kunst als Kunst leisten will, nicht bezeichnet werden. Bilder dienen so ausschließlich der Illustration des Textes, dieser wird zum Maßstab ihrer Bewertung ebenda, S. 203.
  23. Ebenda, S. 265.
  24. Vgl. Spiegel 32/94, S. 52f.
  25. Oskar Bätschmann verweist als Beispiel auf den Hamburger Streit um das Verständnis von Franz Marcs "Der Mandrill". Vgl. Oskar Bätschmann, Einführung in die kunstgeschichtliche Hermeneutik: Die Auslegung von Bildern. Darmstadt 1984, S. 13ff.
  26. Vgl. Rüdiger Bubner, Ästhetische Erfahrung. Frankfurt 1989.
  27. Theodor W. Adorno, Minima Moralia: Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Frankfurt 1981: Der von den Ästhetikern verbreitete Glaube, das Kunstwerk wäre, als Gegenstand unmittelbarer Anschauung, rein aus sich heraus zu verstehen, ist nicht stichhaltig. Er hat seine Grenze keineswegs bloß an den kulturellen Voraussetzungen eines Gebildes, seiner 'Sprache', der nur der Eingeweihte folgen kann. Sondern selbst wo keine Schwierigkeiten solcher Art im Wege sind, verlangt das Kunstwerk mehr, als dass man ihm sich überläßt. Wer die Fledermaus schön finden will, der muss wissen, dass es die Fledermaus ist: ihm muss die Mutter erklärt haben, dass es nicht um das geflügelte Tier, sondern um ein Maskenkostüm sich handelt er muss sich daran erinnern, dass ihm gesagt ward morgen darfst du in die Fledermaus. In der Tradition stehen hieß: das Kunstwerk als ein bestätigtes, geltendes erfahren in ihm teilhaben an den Reaktionen all derer, die es zuvor sahen. Fällt das einmal fort, so liegt das Werk in seiner Blöße und Fehlbarkeit zutage. Die Handlung wird aus einem Ritual zur Idiotie, die Musik aus einem Kanon sinnvoller Wendungen schal und abgestanden. Es ist wirklich nicht mehr so schön. (MM 143).
  28. Vgl. zum Vorstehenden: R. Bubner, Über einige Bedingungen gegenwärtiger Ästhetik in: neue hefte für philosophie, Heft 5, Göttingen 1973. S. 38-73, vor allem S. 63ff. ders., Zur Analyse ästhetischer Erfahrung in: Kolloquium Kunst und Philosophie 1: Ästhetische Erfahrung. Hg. W. Oelmüller, Paderborn u.a. 1981. S. 245-262 ders., Moderne Ersatzfunktionen des Ästhetischen in: Merkur. Deutsche Zeitschrift für europäisches Denken. Hg. K. H. Bohrer, Heft 2. Februar 1986, S. 91- 107 G. Kübler, Kunstrezeption als ästhetische Erfahrung. Kants 'Kritik der ästhetischen Urteilskraft' als methodische Grundlage einer Erörterung gegenständlicher und gegenstandsloser Malerei. Göppingen 1983 H. Paetzold, Grundlagen der philosophischen Ästhetik. Eine Problemskizze in programmatischer Absicht in: Philosophisches Jahrbuch. Freiburg/München 1984, S. 30-46, hier vor allem S. 30-36.
  29. Erich Franz: Die zweite Revolution der Moderne in: ders. (Hg.), Das offene Bild (Ausstellungskatalog), Stuttgart 1992, S. 11. Zum Abschied vom Tafelbild und vom Modell der Repräsentation vgl. auch Thorsten Scheer, Postmoderne als kritisches Konzept, München 1992, insbes. S. 49ff.
  30. Erich Franz, ebenda.
  31. Vgl. dazu Reinhard Hoeps, Bildsinn und religiöse Erfahrung. Hermeneutische Grundlagen für einen Weg der Theologie zum Verständnis gegenstandsloser Malerei. Frankfurt u.a. 1984.
  32. Paul Valery, zit. nach O. Bätschmann, a.a.O., S. 23.
  33. Maurice Denis, zit. nach O. Bätschmann, a.a.O., S. 24.
  34. Max Imdahl, Cézanne - Braque - Picasso. Zum Verhältnis zwischen Bildautonomie und Gegenstandssehen in: Bildautonomie und Wirklichkeit. Zur theoretischen Begründung moderner Malerei. Mittenwald 1981, S. 9-50.
  35. Christoph Menke, Die Souveränität der Kunst. Ästhetische Erfahrung nach Adorno und Derrida. Frankfurt 1991.
  36. Karl Heinz Bohrer, Plötzlichkeit. Zum Augenblick des ästhetischen Scheins. Frankfurt 1981.
  37. Walter Benjamin, "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" (1935). In: Ders. Gesammelte Schriften Bd. I.2. Hg. v. Tiedemann/Schweppenhäuser, Frankfurt 1974. S.471-508.
  38. Wolfgang Henckmann, "'Jedes Kunstwerk ist ein Augenblick'. Versuch eine These Adornos zu verstehen" In: Augenblick und Zeitpunkt. Hg. von Thomsen u. Holländer. Darmstadt 1984. S. 77-92.
  39. Theodor W. Adorno, Ästhetische Theorie, a.a.O., S. 125.
  40. Wolfgang Henckmann, 'Jedes Kunstwerk ist ein Augenblick', a.a.O., S. 92.
  41. Theodor W. Adorno, Ästhetische Theorie, a.a.o., S. 363.
  42. Ebenda, S. 159.
  43. So fragt Dietrich Zilleßen zurecht: Ästhetisches Lernen und Lehren, das bestimmte Ziele verfolgt - ist das nicht ein Widerspruch in sich? zit. nach: Rolf Sistermann, Zum Problem einer symboldidaktischen Glaubenslehre für Jugendliche, Der Evangelische Erzieher 1/1994, S. 73. Vgl. auch Andreas Mertin, "Mit Kunstwerken arbeiten" In: Dressler/Mertin/Ringshausen/Stuhlmann, Bilder zur Sprache bringen. Aspekte zum Bilderverbot und zur Bilddidaktik. Rehburg-Loccum 1992. S. 35-41. Mertin/Schmidt, "'Nehmet hin und esset ...' Das Abendmahl im Bild der Zeit." forum religion 86 - H. 3, 1986, S. 2-11. Andreas Mertin, "Der Griff zur Freiheit. Die 'andere Eva' im Blick der Kunst." forum religion 87 - H. 3, 1987. S. 13-87. Mertin/Helling, "Blickpunkt Mensch. Vom Christusbild zum Menschenbild." forum religion 88 - H. 3, 1988, S. 2-15.
  44. Vgl. Heinz-Ulrich Schmidt, "Bildpredigt. Anmerkungen zu einer vernachlässigten Predigtkategorie." In: Mit Bildern predigen. Hg. v. Schmidt/Schwebel. Gütersloh 1989. S. 7-15.
  45. Es ist wirklich schockierend, wie Satz für Satz jede Beobachtung sofort kommentiert wird. Keine Beobachtung kann und darf für sich stehen, alles muss im Schubladenkasten - möglichst Jung'scher Arche-Typologie - untergebracht werden. Man erfährt nicht, welche Farbe mit welcher kontrastiert wird, aber wohl, dass Grün die Farbe des Lebens ist, "besonders des anfänglichen und keimhaften Lebens, der Lebenskraft des Anfangs", dass Rot eine emotionale Ausdruckskraft besitzt, die "von Aggression, Zerstörung und Tod bis zu Liebe und Hingabe" zeugt, während Blau die Bilder "durchlässig für die Kräfte des Himmels" macht. Archetypen, wohin man nur blickt. Diese Art der verwertenden Beschreibung ist blind für das, was auf dem Bild geschieht. Hundertwasser ist ein Künstler hart jenseits der Grenze zur Kommerzialität. Aber das berechtigt seine Rezipienten nicht, es ihm gleichzutun und im Interesse des aktuellen Psychobooms noch den letzten Rest von Sinnlichkeit aus seinen Werken auszutreiben.
  46. Thomas Zacharias, Blick der Moderne: Einführung in ihre Kunst. München/Zürich 1984.
  47. Peter Biehl, Symbole geben zu lernen II, a.a.O., S. 81.
  48. Ebenda, S. 78
  49. Ebenda, S. 100.
  50. Günter Lange, Kunst zur Bibel. 32 Bildinterpretationen. München 1988.
  51. Günter Langes Vorschlag zielt in erster Linie auf 'klassische' Kunstwerke. Für die Werke der Moderne müßte sein Modell etwas modifiziert werden. Vgl. dazu Andreas Mertin, Mit Kunstwerken arbeiten, a.a.O., insbes. S. 40f.
  52. An dieser Stelle kann ich um so schärfer urteilen, als meine eigene Arbeitsweise mitbetroffen ist. Was Peter Biehl und seine Mitarbeiter in "Symbole geben zu lernen II" mit Willikens' Abendmahl anstellen, habe ich selbst in "Nehmet und esset ..." als pädagogische Möglichkeit empfohlen. Heute stehe ich zu dieser Empfehlung nur noch sehr bedingt. Sie kann allenfalls in einem sehr späten Stadium der Auseinandersetzung mit dem Kunstwerk vorgenommen werden. Mir kommt es nicht darauf an, diese Arbeitsweise zu verurteilen, sondern darauf, aufzuzeigen, inwieweit hier das, was die Qualität der in den Blick genommenen Werke ausmacht, schlicht unterschlagen wird.
  53. Die auf dem Umschlag von "Symbole geben zu lernen II" abgebildete Studie von Willikens ist nicht, wie es im Buch heißt, Teil der umfangreichen Rezeptionsgeschichte von Leonardos Abendmahl, sondern ist der Versuch von Willikens, künstlerisch-ästhetisch am Bespiel von Andrea del Sarto und seinem Abendmahl im Cenacolo di San Salvi dem Umschlag von der Renaissance in den Manierismus nachzuspüren. Es ist künstlerisch-ästhetisch keinesfalls egal, ob man sich mit der Inszenierung nach Leonardo oder der nach del Sarto beschäftigt.
  54. Ben Willikens, Metaphysik des Raumes, Deutsches Architekturmuseum Frankfurt am Main, Stuttgart 1985.
  55. so Lothar Romain, Maß aus Leidenschaft in: Ben Willikens, Metaphysik des Raumes,. a.a.O., S. 11.
  56. Lothar Romain, ebenda.
  57. Ben Willikens, zit. nach Lothar Romain, ebenda, S. 18.
  58. Peter Biehl, Symbole geben zu lernen II, S. 104
  59. Ebenda.
  60. Rombold/Schwebel, Christus in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Freiburg u.a. 1983, S. 113.
  61. Vgl. Andreas Mertin, Aber wo ist da die Mitte? Bemerkungen zur Rezeption der Ausstellung "Abendmahl", Marburg 1985.
  62. Peter Biehl, Symbole geben zu lernen II, S. 79
  63. Vgl. Andreas Mertin, Mit Kunstwerken arbeiten, a.a.O.
  64. Peter Biehl, Symbole geben zu lernen, a.a.O., S. 32.
  65. Faßt man mit Jürgen Habermas Kunst auch als sedimentierte historische Erfahrung, als eine Semantik, die Stück für Stück aus dem Inneren des Mythos herausgelöst und in den Werken der großen Kunst messianisch, d.h. für den Gebrauch der Emanzipation freigesetzt und zugleich aufbewahrt worden ist, dann gilt es, sie der Erkenntnis wieder zugänglich zu machen. Kunstwerke sind dann auch ein Schlüssel für das Verständnis von Gegenwart und Vergangenheit. Sie können nicht nur danach beurteilt werden, welchen Genuß sie vermitteln, und sei es den des Erschreckens, sie können auch befragt werden, wie sich in ihnen die gesellschaftliche Entwicklung spiegelt, welche Auskunft sie auf Fragen der Zeit geben oder wie sie auf Veränderungen der menschlichen Kommunikation reagieren. Sie sind ein Indikator der Hoffnungen und Ängste, der Utopien und Leiden der Menschen. Die Interpretation hat die sozialen Gehalte der Kunstwerke zu erarbeiten. Dabei ist sie nicht an Werke gebunden, die durch ihren Realismus schon als Spiegel der Wirklichkeit erkennbar sind. J. Habermas, bewusstmachende oder rettende Kritik - die Aktualität Walter Benjamins in: Zur Aktualität Walter Benjamins. Hg. von S. Unseld. Frankfurt 1972. S. 173-223, hier S. 201.
  66. Buderath/Makowski, Die Natur dem Menschen untertan. Ökologie im Spiegel der Landschaftsmalerei. München 1986.
  67. Gottfried Boehm, "Zu einer Hermeneutik des Bildes." In: Seminar: Die Hermeneutik und die Wissenschaften. Hg. von Gadamer/ Boehm. Frankfurt 1978. S.444-471, hier S. 445.
  68. Ebenda, S. 446.
  69. Maurice Blanchot, Das Unzerstörbare. Ein unendliches Gespräch über Sprache, Literatur und Existenz. München/Wien 1991, S. 78.
  70. Daneben gibt es natürlich noch viele weitere Möglichkeiten, z.B. die Sinnhaftigkeit meiner Beschreibung der modernen Kunst zu bestreiten und weiterhin von Kunstwerken als Dokumenten einer bestimmten Zeit- und Epochenerfahrung zu sprechen. Oder eine Segmentierung in der Kunst des 20. Jahrhunderts vorzunehmen und davon auszugehen, dass jene Kunstwerke, auf die ich mich bei meiner Beschreibung bezogen habe, eben nur ein Teil der Kunst sind, während andere Werke, etwa von van Gogh, Gauguin, Rothko oder Newman eben doch symbolisch seien. So argumentiert etwa Günter Rombold, Zur Problematik des Symbolischen in der modernen Kunst in: I. Möller (Hg.), Anstöße - Theologie im Schnittpunkt von Kunst, Kultur und Kommunikation (FS R. Volp), Darmstadt 1991, S. 20-27. Freilich kommt Rombold zu sehr vorsichtigen Schlußfolgerungen, denen ich weitgehend zustimme. Insbesondere bin ich mit ihm in der entscheidenden Rolle Marcel Duchamps bei der Problematisierung des Symbols in der Kunst des 20. Jahrhunderts einig.
  71. Wolfgang Erich Müller, zit. n. Klaus Hoffmann, Kirche, Künste, Kulturarbeit, medien praktisch 3/1994, S. 8.
  72. Dietrich Zilleßen konstatiert: Für die Symboldidaktik ist es von grundlegender Bedeutung, ob es unter der Dominanz formaler Rationalität zur Abwertung bestimmter symbolischer Gestaltungen, zur Hierarchisierung und Formalisierung logischer Abläufe (Entwicklungslogiken) kommt oder ob in einer Art materialer Rationalität näher an den Dingen geblieben wird. Letztlich muüssen auch jene Bilder in die Symboldidaktik einbezogen werden die von der auf die Dinge durchblickenden Erfahrung oder Einbildungskraft gemacht werden. Dietrich Zilleßen"Symbole geben zu lernen". Elementare Erfahrungen bei der Wahrnehmung der Dinge in: Oelkers/Wegenast (Hg.), Das Symbol - Brücke des Verstehens, Stuttgart 1991, S. 150-168, hier 159, 162. Insgesamt sehe ich bei Zilleßen noch am ehesten jene Vorstellungen artikuliert, die sich mit einer die Ästhetik einbeziehenden Symboldidaktik verknüpfen müßten.

© Andreas Mertin