"Diastase als Chance, funktionale Integration als Versuchung"
Protestantische Auseinandersetzungen mit der Kunst
Von Andreas Mertin
Vortrag auf der Tagung "Wie autonom ist die Kunst?"
Evangelische Akademie Arnoldshain/ARTHEON 12.03.1995
Wer sich heute mit dem Verhältnis von autonomer Kunst und christlicher Kirche auseinandersetzt, wird von bestimmten Interessen geleitet. In der Regel empfindet er ein Unbehagen am status quo, er möchte den bestehenden Graben zwischen Kunst und Kirche zugunsten neuer Möglichkeiten der Begegnung einebnen. Ich sehe in der Gegenwart zwei unterschiedliche Ansätze(1) in der Reflexion über das Verhältnis von Kunst und Kirche:
- zum einen in der großen Mehrheit der Versuch der (funktionalen) (Re-)Integration der Kunst in die Kirche, die Besinnung auf die historischen wie aktuellen Gemeinsamkeiten von Kunst und Religion, der Ruf des Close the gap, cross the border(2), der sehnsüchtige Wunsch nach einer bestimmten Art des synästhetischen Zusammenklangs mit Blick auf das Gute, Wahre und Schöne
- zum anderen die Besinnung auf das je Spezifische beider Bereiche, auf den Differenzierungsgewinn der Moderne(3), das Bedenken und Bewahren der Diastase von Kultur und Theologie(4), der Einsatz für den Versuch, die in der Moderne ausdifferenzierten Diskurse zu sich selbst kommen zu lassen und auch weiterhin in der Auseinander-Setzung den gemeinsamen Gewinn zu sehen(5).
Beide Ansätze(6) haben einen gemeinsamen historischen Ausgangspunkt in der Zeit der Reformation. Mit dem damals sich entwickelnden Verhältnis der Kirche zur Kultur wurde das möglich, was Werner Hofmann in der Ausstellung "Luther und die Folgen für die Kunst" als "Geburt der Moderne aus dem Geist der Religion"(7) bezeichnet hat. Mit der Reformation trennen sich die Wege von Kunst und Religion, für die Kunst erschließen sich mit der säkularen Kultur neue Möglichkeiten, die Kirche findet ihre Anliegen andere Ausdrucksformen. Es gehört zu den zwischen den beiden großen Konfessionen kontroverstheologischen Fragen, wie man diese Entwicklung beurteilen soll.
Man kann - dieser Ansatz wird eher von katholischen Theoretikern vertreten - von einer ursprünglichen, in sich sinnvollen und notwendigen Verbindung von Kunst und christlicher Religion, von einer "Geist-Kunst-Verkörperung"(8) ausgehen, deren Aufkündigung letztlich zur Schädigung beider Diskurse führt. Ohne Kunst wird die Theologie unsinnlich, der christliche Glaube individualistisch und unverbindlich, während die Kunst ohne christliche Theologie ihren Boden verliert und zum subjektiven Spiel des Geschmacks wird. "Der Auszug der Kunst und ihre Hinausdrängung aus dem Christentum, insbesondere den Kirchen der Reformation, bewirkte einen Substanzverlust des Glaubens."(9) Es gilt daher, an der ursprünglichen Einheit von Kunst und Kirche festzuhalten bzw. wieder an sie anzuknüpfen. Alles andere führt zur Protestantisierung(10) des Kunst-und-Kirche-Verhältnisses: "Die Vertreibung der christlichen Botschaft nach Innen und die Sublimierung des Glaubens ins rein 'Geistige' bedeuteten Auflösung und Vernichtung dieser Botschaft ... Diese Rückzugstendenz ist Ausdruck einer Dauerkrise des Christentums"(11) und führt nicht zuletzt zur Formalisierung der Kunstbetrachtung. Nur Re-Integration kann hier Abhilfe schaffen, es bedarf "einer schöpferischen Wende im Zusammenhang von christlicher Botschaft und Verkündigungsgestaltung, von Kirche, Theologie und Kunst"(12). Auch wenn andere katholische Autoren ihre Analyse nicht so zugespitzt formulieren, so sind doch auch ihre Bemühungen vom Interesse am Aufweis einer substantiellen Verbindung von christlicher Religion und Kunst getragen(13).
Man kann aber auch - und dies wird von der Mehrzahl der protestantischen Theologen vertreten - die historisch bis in die Zeit der Reformation vorfindliche enge Zusammenarbeit von Kunst und Kirche als eine mögliche, historisch gewachsene, aber theologisch wie ästhetisch nicht zwingende Verbindung ansehen. Diese Verbindung ist spätestens um die Wende zum 16. Jahrhundert zerbrochen(14) und das daraus entstehende Verhältnis ist in der reformatorischen Theologie neu reflektiert worden, eine Reflexion, die den Differenzierungsprozess noch beschleunigt hat. Der Protestantismus bekennt sich in dieser Perspektive zur Welthaftigkeit der Kunst.(15) Für die protestantische Auseinandersetzung mit der Kultur in der Gegenwart bieten sich aber dennoch unterschiedliche Perspektiven.
So kann, ausgehend von der inzwischen in der Moderne erfolgten kulturellen Differenzierung, die aktuelle Verhältnisperspektivierung so angegangen werden,
- dass man entweder für die (Wieder-) Annäherung im Sinne einer funktionalen Integration der nun säkularen Kunst in die Kirche, für eine Rückkehr der Bilder im Interesse einer Versinnlichung einer zu wortlastig gewordenen Religion plädiert(16),
- oder dass man die als eigenständig begriffene Kultur als ein Explorationsfeld menschlich-theologisch belangvoller Fragestellungen ansieht und diese Fragen als Anregungen für theologische Erörterungen bzw. Antworten begreift(17),
- oder dass man für eine Art synästhetischer Zusammenarbeit der beiden eigenständigen Diskurse im Interesse einer humanen Zukunft der Menschheit plädiert, m.a.W. das Programm des deutschen Idealismus auf einer entwickelten Ebene fortsetzt(18),
- oder dass man schließlich die eingetretene kulturelle Differenzierung von Kunst und Kirche als Befreiung beider Diskurse von Belastungen ansieht, die beide an der Erfüllung ihrer je spezifischen Aufgaben gehindert haben(19).
Jeder dieser Ansätze hat - wie wir noch sehen werden - Vorbilder in der Geschichte des Protestantismus. Jeder dieser Ansätze offenbart ein bestimmtes Selbstverständnis und eine bestimmte Ausprägung dessen, was man Protestantismus nennt. Wer vom Verhältnis des Protestantismus zur Kunst reden will, muß daher zugleich vom Verhältnis des Protestantismus zur Welt, zur Individualität, zum Subjekt, zur Neuzeit reden. Nur vor diesem Hintergrund erschließt sich der besondere Umgang evangelischer Christen mit der Kultur und damit auch Aufgabe und Grenze protestantischer Kunstvermittlung.
Der oben aus katholischer Perspektive angesprochene kritische Satz von der "Dauerkrise des Christentums", welche durch die Reformation und der mit ihr vollzogenen Trennung von der Kunst bewirkt wurde, soll hier positiv zur Bestimmung des Protestantismus aufgegriffen werden. Walter Sparn hat die enge und auch produktive Verbindung von Protestantismus und Krisenbewusstsein herausgestellt:
"Krisenbewusstsein gehört zur protestantischen Gestalt des Christentums, es ist ein Element protestantischer Identität. Das protestantische Krisenbewusstsein reagierte dabei stets ... auch auf synchrone Differenzierungen zwischen dem Bereich direkt religiöser Lebensgestaltung und solchen Lebensbereichen, die allmählich und schließlich primär von anderen Faktoren geprägt wurden. Es reagierte, anders gesagt, auf Säkularisierung. Doch bedeutete Säkularisierung in keinem Fall die einfache Verabschiedung oder Verdrängung von Religion, sondern vielmehr die Emanzipation bestimmter Lebensbereiche ... aus der direkten Kontrolle der Institutionen von Religion ... Es handelt sich also um gesellschaftliche Differenzierungs- und Segmentierungsvorgänge. Im Blick auf die Religion selbst lässt sich aber klar feststellen, dass sie keineswegs zur Verarmung und Verkümmerung religiöser Praxis führten, im Gegenteil. Der Ausgliederung von nicht mehr direkt religiösen Lebensbereichen entsprach regelmäßig die innere Intensivierung von Religion, ihre Spiritualisierung, wenn man so will, oder genauer gesagt: ihre Individualisierung."(20)
Mit dem Stichwort "Individualisierung" ist zugleich ein weiteres Charakteristikum des Protestantismus benannt. Seine diskursspezifische Entwicklung fasst Peter Steinacker so zusammen:
"Die gesellschaftliche Entwicklung aus dem Mittelalter heraus erzeugt eine, vorher so nie gekannte, Subjektivierung und Individualisierung. Das 'Ich' der Psalmen, das so individuelle Züge zu tragen scheint, ist nicht identisch mit dem 'Ich' der Neuzeit. Mit Odysseus erreicht die Subjektwerdung ihren frühen mythischen, mit Luther ihren ersten religiösen und mit Descartes ihren ersten philosophischen Ausdruck. Der neuzeitliche Mensch erlebt die gestaltete Welt nur noch bedingt als Vorgabe. Grundsätzlich ist es seine Aufgabe, Welt aus dem einzig sicheren Weltgrund, dem Subjektsein, zu konstruieren. Das Individuum erkennt sich selbst als kritische Instanz gegenüber allen gesellschaftlichen Objektivierungen. Unter diesen Bedingungen kann überhaupt erst so etwas wie Individualität und Privatreligion entstehen"(21).
Der Protestantismus, so lässt sich mit Hans Georg Soeffner resümieren, "war eine treibende Kraft bei der Entwicklung des Individualitätsprinzips. Er rückte - und das ist wesentlich sein Verdienst - die Vereinzelung und Eigenverantwortlichkeit des Menschen gegenüber seinem Gott in das Zentrum der Verkündigung".(22)
Krisenbewusstsein und Individualisierung sind zwei wichtige Kennzeichen des Protestantismus, zugleich aber auch Charakteristika der gesellschaftlichen Moderne. Es ist nicht unplausibel, mit Max Weber den Protestantismus als jene Religion zu bezeichnen, die die Moderne mit initiiert, auf jeden Fall aber geprägt hat. Peter L. Berger meint, "dass unabhängig von der historischen Kausalität der Protestantismus sich der Modernität stärker und über einen längeren Zeitraum hinweg als andere religiöse Traditionen gestellt hat."(23) Die Frage ist, wie sich dies im Verhältnis zur modernen Kunst auswirkt.
Soziologen verweisen uns auf strukturelle Parallelen in der Entwicklung der Kunst:
"Die europäische Kunst hat seit der Renaissance den gleichen Weg beschritten. Protestantismus und Aufklärung gaben den Subjektivierungstendenzen in der Kunst einen kräftigen Schub ... Innerhalb der strukturell immer schon gegebenen Besonderheit und Autonomie der Kunst hat sich die Individualisierung der Kunstproduktion, der Kunsterfahrung und Kunstwahrnehmung ebenso vollzogen wie die Individualisierung der Glaubenserfahrung innerhalb der Religiosität. Letztlich kennen individualisierte Religionen und individualisierte Kunst nur einen zentralen Gegenstand: das Individuum selbst. Dieses ist jedoch vielfältig präsent in allem nämlich, was seiner Wahrnehmung, seiner Erfahrung und seinem Erleben zugänglich wird - das Problem der Wahrnehmung selbst mit eingeschlossen. Was immer zum Gegenstand individueller Wahrnehmung, Erfahrung und Erlebens wird, kann auch zum Gegenstand der Kunst werden."(24)
Mit den gemeinsamen Kennzeichen Individualisierung und Krisenbewusstsein(25) ist ein Anfangsverdacht gegeben, dass das Verhältnis von Protestantismus und Kunst wesentlich positiver zu betrachten ist, als dies gemeinhin geschieht. Protestantismus und Kunst verbinden sowohl der Kampf gegen Autorität wie die Option auf Freiheit. Protest gegen die Autorität schließt auch die Ablehnung einer bloß Normen reproduzierende Kunst ein. Die freie Subjektivität, die der Protestantismus impliziert, hat Konsequenzen für die Kunst. Nachreformatorisch will die Ineinssetzung des Christentums mit der von ihr beeinflussten Kultur nicht mehr gelingen, die Kunst muß als autonom verstanden werden, sie muß und kann für sich selbst einstehen.
Wer "Aufklärung im Beziehungsverhältnis" (Negt/Kluge) zwischen Kunst und Protestantismus leisten will, tut gut daran, sich die Geschichte dieser Begegnung zu vergegenwärtigen. Schnell wird deutlich, dass die verbreitete historische Gleichung zwischen Protestantismus und Bilderfeindschaft(26) falsch ist. Sie mag ihre Berechtigung im Blick auf den englischen Puritanismus haben, für den deutschen und niederländischen Protestantismus ist sie unzutreffend. Die Bilderfeindschaft der Protestanten bezieht sich ausschließlich auf die religiöse Funktion der Kunst, ihrer säkularen Freisetzung haben sie dagegen konsequent (ob nun bewusst oder nicht) Vorschub geleistet.
Bevor ich aber auf die Geschichte der protestantischen Kunstvermittlung eingehe, noch kurz ein Rekurs auf die protestantische Vorgeschichte der Freisetzung der Künste zur Profanität. Sozusagen als Ahnvater protestantischer Auseinandersetzung mit der Kunst(27) sehe ich die Libri Carolini, ein theologisches Gutachten, im Auftrag Karls des Großen 790 wahrscheinlich verfasst von Theodulf von Orleans. Sie sind gekennzeichnet von dem Bemühen, sich sowohl gegenüber den byzantinischen Bilderfreunden als gegenüber den römischen Bilddidaktikern als überlegene und aufklärerische Position zu erweisen. Nach der Argumentation dieser Schrift sind Kunstwerke ausschließlich nach Kunstverstand (ingenium) und nach der Kunstfertigkeit (artificium) zu beurteilen. Dementsprechend können sie schön oder hässlich sein, ähnlich oder unähnlich, neu oder alt, keinesfalls aber heilig, sakral oder verehrungswürdig. Kunst wird hier ausschließlich als "ars mundana", als weltliche Kunst begriffen. Man wird dem Kunsthistoriker Bazon Brock zustimmen können, wenn er zur Wirkungsgeschichte der Libri Carolini schreibt: "Es ist sicherlich nicht unrichtig zu behaupten, dass diese Wesensbestimmung der Kunst als ars mundana einen entscheidenden Einfluss auf die Überwindung der sakralen Bindung der Kunst hatte."(28)
Die radikale kritische Auseinandersetzung des Protestantismus mit den Bildern kann sich auf Andreas von Bodenstein, genannt Karlstadt, berufen, Pfarrer in Orlamünde und Martin Luthers Kollege an der Universität von Wittenberg. 1522 veröffentlicht er die Schrift "Von Abtuhung der Bilder und das keyn bedtler unther den Christen seyn sollen"(29), in der er seine Haltung zu den Bildern erläutert. Karlstadt verweist auf das Bilderverbot, auf Wort und Sakrament als einziger legitimer Vergegenwärtigung Gottes, auf den faktischen Umgang der Menschen mit religiösen Bildern, die eine Unterscheidung von 'Anbetung' und 'Verehrung' vermissen lasse, auf ihre Unzulänglichkeit als Bücher der Laien zu wirken. Auch zur Erinnerung dienten die Bilder kaum, zumal die Menschen in der konkreten Wahrnehmung sich zu ihnen wie zu Fetischen verhalten würden.(30) Karlstadts Argumentation läuft, achtet man auf die Nuancierungen und die impliziten Folgen seiner Argumentation, darauf hinaus, dass man Gott gibt, was Gott gebührt, und Bilder nicht mit religiösen Funktionen belastet. Bildern kommt keine Verehrung zu, sie sind keine heiligen Objekte, modern gesprochen: sie wollen ästhetisch, nicht religiös erfahren werden. Karlstadts Kritik trifft exakt die kultische Funktion der Bilder. Was Karlstadt vor allen anderen Reformatoren auszeichnet, ist seine strikte Beachtung der faktischen, der empirischen Rezeption der Kunstwerke. Ihn interessiert nicht, ob Bilder in der theologischen Theorie möglich und erlaubt sind, sondern er konzentriert sein Augenmerk auf die religiös-ästhetischen Praxis der Menschen, mit denen er zu tun hat. Und hier erweisen sich Kunstwerke durch den kultischen Kontext, in den sie gestellt werden, als Kultobjekte und ziehen entsprechende Reaktionen auf sich.
Martin Luther geht die Bilderfrage unter völlig anderen Voraussetzungen an als dies Karlstadt getan hat.(31) Für ihn steht die Frage im Vordergrund, ob nach der Befreiung vom Diktat der guten Werke nun ein neues Gesetz die Christen bedrängen soll. Bilder stiften ist kein gutes Werk, Bilderstürmen soll nicht an dessen Stelle treten. Bilder sind Adiaphora, "weder gut noch böse ... man lasse es frei sein, sie zu haben oder nicht zu haben".(32) Damit subjektiviert Luther zugleich den Bildumgang. Nicht die Bilder selbst, nicht der Kontext, sondern das Herz des Betrachters allein entscheidet über die Art und Weise der Wahrnehmung der Werke: "Luther", so schreibt Werner Hofmann, "legt den Grund für die Betrachterästhetik, die Kunst als ... Vereinbarungsbegriff auffasst. Der Betrachter soll vor dem Kunstwerk seine Freiheit erproben. Er hat das letzte Wort. Luthers Bildempfänger ist kein fraglos Anstaunender, in ihm steckt ein potentieller Interpret, der kritisch nach dem Woher und Wozu, nach dem Umraum des Kunstgegenstandes fragt".(33)
Der Zürcher Reformator Huldrych Zwingli artikuliert in der Bilderfrage ganz sein Selbstverständnis als "humanistischer Bildungsbürger". Bilderstürmerei lehnt er ab, findet sie aber erträglicher als die kultische Verehrung der Bilder. Zwar - so räumt er ein - könne er durch Bilder eo ipso nicht gefährdet werden, da er kurzsichtig sei, aber dennoch empfinde er für Statuen und Bilder mehr Lust als andere Menschen. Innerhalb des kirchlichen Kontextes lasse sich jedoch die kultische Funktion des Kunstwerks nicht ausschalten, deshalb seien religiöse Bilder in den Kirchen zu untersagen. "Kunst als religiöse Kunst ist nach Zwingli ein Unding, sie wäre Götzendienst. Bildende Kunst ... kann es nur als profane Kunst geben ... Für das Verhältnis von Glauben und Kunst bedeutet dies, dass Glaube und Kunst auseinander treten ... Das Nein zur religiösen Kunst wirkt stimulierend in bezug auf die Entwicklung eines nicht-religiös gebundenen Kunstschaffens".(34) Und noch eine andere Konsequenz hatte Zwinglis Haltung: Denn nicht erst die französische Revolution hat mit dem Louvre zum ersten frei zugänglichen Museum geführt, gut 166 Jahre vorher war auf Betreiben der Reformierten in Zürich eine stillgelegte Kirche - quasi eine City-Kirche - mit den aus anderen Kirchen entfernten Kunstschätzen ausgestattet und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden.(35) Mit dem Differenzierungsgewinn, der in diesem Schritt lag - Entsakralisierung der Werke bei gleichzeitiger Würdigung ihres ästhetischen Werts - beginnt praktische Kulturvermittlung. Initiiert hat diese Entwicklung Zwingli, welcher, irritiert von bilderstürmerischen Ausschreitungen, sich für die ordnungsgemäße Entfernung der Bilder und ihre Einlagerung bzw. die Rückgabe an die jeweiligen Stifter ausgesprochen hatte.
Mit dem letzten der Reformatoren in unserem Durchgang durch die protestantische Bildgeschichte kommen wir zu jenem Bildkritiker, dessen nach ihm benannte Bewegung bis in die Gegenwart zum Inbegriff der Bilderfeindschaft wurde: Calvinismus. "Calvinismus und Bilderfeindschaft" gehört zu den unausrottbaren Stereotypen der Geistesgeschichte - zu Unrecht, wie das Studium seiner Wirkungsgeschichte zeigt.(36) Calvin hat sich systematisch unter Abwägung aller gegnerischen Argumente mit der Bilderfrage auseinandergesetzt. Im 11. Kapitel des ersten Buches der Institutio christianae religionis entfaltet er seine Haltung zum Umgang mit Kunst in der Kirche.(37) Calvin konzentriert seine Argumentation auf die religiöse Kunst, auf Darstellungen Gottes und Jesu Christi. Diese Darstellungen sind verboten, kein theologisches oder didaktisches Argument kann sie rechtfertigen. Sodann entwirft Calvin eine Theorie der Genese religiöser Kultbilder: Kultbilder entstehen, weil die Menschen verunsichert sind und sich in ihrer Unsicherheit einen sichtbaren Halt wünschen, ein Führerbild, eben ein Kultbild.(38) Schließlich grenzt sich Calvin von den radikalen Bilderfeinden ab: Wer behaupte, man dürfe überhaupt keine Bilder haben, der verfalle selbst dem Aberglauben, denn er glaube an die Macht der Bilder. Kunst jedoch sei ein Gottesgeschenk, eine Begabung, die dazu dient, all das zu malen, was unsere Augen fassen können dazu zählen Historien, Porträts und Bilder zum Ergötzen (oblectatio)(39). Dennoch hat man bei Calvin eine bildfeindliche Haltung erblicken wollen, und zwar deshalb, weil Calvin den Künstler nicht als alter Deus sehen will, welcher in der Materie den Geist des Schöpfers aufleuchten lasse.(40) Bilderfeindlich ist das jedoch nur in der Perspektive einer Kunsttheorie, der an der Aufwertung des Künstlers durch religiöse Konnotationen gelegen ist. Aber letztlich zwingt Calvins Argumentation den sich etablierenden autonomen Diskurs Kunst dazu, sich ein eigenes, nicht von der Religion erborgtes Sprachspiel zuzulegen.
Max Weber hat in seinen Untersuchungen ein kritisches Bild vom calvinistischen Umgang mit der Kultur gezeichnet. Alles ordnet sich der "innerweltlichen Askese" unter.(41) Bei den Puritaner komme es "zur grundsätzlichen Abwendung von aller Sinnenkultur überhaupt"(42). Misstrauisch und feindlich seien sie zu allen nicht direkt religiös zu wertenden Kulturgütern, ihr Hass treffe auch die "unbefangene kirchliche Kunstübung"(43). Diese Darstellung hat freilich ihren Preis. Jeder von ihr abweichende Fakt wird vom Calvinismus getrennt. So wird Rembrandt dem Sektierertum zugeschlagen(44), die holländische Kunst auf die mangelnde Durchsetzungskraft des Calvinismus zurückgeführt. Webers Beschreibung ist jedoch zu einseitig am englischen Puritanismus orientiert. Michael North hat in seiner brillanten Studie Zur Sozialgeschichte der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts(45) gezeigt, wie verbreitet der Umgang mit bildender Kunst in den reformierten Niederlanden des 17. Jahrhunderts gewesen ist. "In fast allen niederländischen Häusern hingen künstlerische Erzeugnisse, die von einfachen Drucken über Zeichnungen und Kopien bis zu Gemälden reichten. Gemälde besaßen, wie man für Delft geschätzt hat, immerhin zwei Drittel der Haushalte"(46). Bei der Auswahl der Kunstwerke spielte die Religion offensichtlich eine größere Rolle: "So kann man einen Teil der Amsterdamer Inventare hinsichtlich der Religion ihrer Besitzer (159 Reformierte, 43 Katholiken) aufschlüsseln ... (Dabei) ergeben sich signifikante Unterschiede bei den Themen. Reformierte Sammlungen zeichneten sich durch einen größeren Anteil an Landschaften und Stilleben aus, wogegen die Katholiken Historien, insbesondere Themen des Neuen Testaments, bevorzugten. Die Calvinisten, für die die Bilderverehrung tabu war, hängten sich nur selten Szenen aus dem Neuen Testament an die Wand"(47). Die unterschiedliche Bedeutung religiöser Themen bei Reformierten und Katholiken, schreibt North, weist auf einen Funktionswandel: "Während die Katholiken weiter an ihren Andachtsbildern festhielten, akzeptierten die Reformierten religiöse Themen allenfalls zur Belehrung, sofern sie ihre Gemälde nicht zum Zweck der Unterhaltung oder des persönlichen Vergnügens auswählten ... Die im Mittelalter und noch im 16. Jahrhundert vorherrschende Andachtsfunktion wich der Unterhaltungsfunktion."(48) So kam es, dass in den Niederlanden im Verlaufe des Jahrhunderts der Anteil religiöser Kunst von 63% auf 10% sank.(49)
Ich wechsle nun aus der Sozialgeschichte des 17. Jahrhunderts in die Theologiegeschichte des 19. und 20. Jahrhundert. Nicht dass in der Zwischenzeit nichts auf dem Gebiet der protestantischen Kulturvermittlung geschehen sei, ganz im Gegenteil: mit Kant(50), den Romantikern(51) Novalis, Tieck, Wackenroder, Schlegel, Schleiermacher(52), Schelling(53), mit Hegel und seinen Erben(54) und nicht zuletzt mit Kierkegaard(55) gibt es zahlreiche Neubestimmungen, Verschmelzungen und kritische Interventionen gerade auch bei der Begegnung von Kunst und Religion. Aber mit den zuvor skizzierten Ansätzen der Reformatoren sind die grundsätzlichen Möglichkeiten benannt, die der protestantischen Kulturvermittlung in der Gegenwart offen stehen, und mit den beiden im folgenden zu behandelnden Bewegungen werden die Extreme benannt, zwischen denen protestantische Kulturvermittlung sich bewegt. Wenn es stimmt, dass die Probleme am Ende unseres Jahrhunderts deutliche Ähnlichkeiten mit denen am Beginn dieses Jahrhunderts aufweisen(56), dann ist es ratsam, einen Blick auf jene Konfrontation zu werfen, die sich mit den Begriffen "Kulturprotestantismus" einerseits und "Theologie der Krise" andererseits anzeigt.(57)
Kulturprotestantismus ist ein schillernder Begriff(58), der auf ganz konträre Bewegungen angewendet wurde. In seiner weitesten Form ist jeder ein Kulturprotestant, der sich zur Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Kultur bekennt. Im engeren Sinne kann er verstanden werden als Ausdruck einer Sehnsucht nach einer neuen nationalen, religiösen Einheitskultur, in der die höchsten kulturellen Leistungen der Menschen mit den Überzeugungen eines freien Christentums konvergieren. Der 1863 gegründete Deutsche Protestantenverein forderte "eine Erneuerung der protestantischen Kirche im Geiste evangelischer Freiheit und im Einklang mit der gesamten Kulturentwicklung unserer Zeit", sein Ziel war die "Versöhnung von Religion und Kultur".(59) Kulturprotestantismus in diesem Sinne läuft auf eine Synthese von freiem Christentum und moderner Kultur hinaus, er ist von der Hoffnung getragen, dass es einen steten kulturellen, religiös integrierbaren Fortschritt zur Vervollkommnung gibt.(60) Auch wenn mit diesem Programm alle Sozialschichten angesprochen werden sollen, so kann als Zielgruppe vor allem die bürgerliche Bildungselite angesehen werden.
In der Antwort auf den Zusammenbruch des Kulturprotestantismus mit dem ersten Weltkrieg artikuliert sich ein neues theologisches Verständnis der Welt, der Kultur und jenes Ortes, den das Christentum darin bzw. dazu einnimmt. Die Theologie formuliert sich aus der Krise. Dem Kulturprotestantismus noch am nächsten steht Paul Tillich, einen deutlichen Trennstrich zieht Karl Barth.(61)
Paul Tillich fordert in seiner Kulturtheologie, die autonomen Kulturbereiche auf den letzten Sinn, ihren Bezug zum Unbedingten hin zu befragen. Kirche sollte nicht dadurch zur Kultur finden, dass sie ihre eigenen kulturellen Rudimente krampfhaft bewahrt, sondern ihre Aufgabe lautet, in den autonomen Formen der uns umgebenden Kultur die Tiefendimension zu entdecken. Zielvorstellung ist für Tillich die Idee der Theonomie, die Überwindung des Gegensatzes von Kultur und Kirche, eine dem Unbedingten offene Einheitskultur und -gesellschaft. So sehr sich Tillich gegen die Heteronomisierung der Kultur wendet, so wenig kann er sich mit einer profanen Autonomie abfinden. Man sei "der Autonomie müde geworden", ihre "entmenschlichenden Folgen" in Form rationaler Systeme, die die Lebenswelt verdinglichen, lägen auf der Hand.(62) Wahre Kultur ist bei Tillich immer schon theonom bestimmt, sie findet in der Theonomie ihr eigentliches Ziel. Tillich geht es darum, Kunst theologisch so zu interpretieren, dass in Bildern und Skulpturen "die Manifestation letzter Wirklichkeit erkennbar ist". Für Tillichs theologische Hermeneutik ist "der künstlerische Stil jeder Epoche ein Dokument der religiösen Existenz dieser Epoche". Wer also die religiöse Existenz der Epoche verstehen will, muß sich den Dokumenten der Kunst dieser Epoche zuwenden. Daraus folgert Tillich: "Ohne eine Theologie der Kultur gibt es keine in die Tiefe gehende Geschichte der Kultur, und ohne eine Theologie der bildenden Kunst gibt es kein Verstehen des menschlichen Sinnes der Kunstwerke!" Ich bezweifle, ob diese These für die Beurteilung der Kunst und Kultur des 20. Jahrhunderts tragfähig ist.(63) Dennoch kommt Tillich auf der Basis seiner Kulturtheologie zu Schlussfolgerungen, die mit vielen modernen Kunsttheorien koinzidieren. Neben dem Verzicht auf die Bevorzugung religiöser Bildsujets zählt dazu vor allem die Betonung der Begriffslosigkeit der Kunstwerke ("Was ein Bild sagt kann keine Kombination von Begriffen sagen") und die Hervorhebung des expressiven Stils.
Karl Barths Auseinandersetzung mit der Kultur ist deutlich vom Zusammenbruch der Kulturtheologie seiner akademischen Lehrer gekennzeichnet. Wenn die avancierte Kultur ihre Verehrer nicht daran hindert, in nationalistisches Pathos zu verfallen und Kriegsaufrufe zu unterschreiben, dann ist Kultur zu einer fragwürdigen Größe geworden. Kultur an sich ist kein eigenständiger, positiver Wert, die Kultur selbst hindert an keiner Barbarei. Die erschreckende Erfahrung, dass Goethe- und Schillerverehrer auch Konzentrationslager bauen, fordert eine Korrektur am affirmativen Kulturbegriff.(64) Karl Barth betonte in seinem Römerbriefkommentar radikal die Andersartigkeit des Evangeliums gegenüber der Kulturreligion. Kultur sei Menschenwerk, der Glaube führe jegliche Kultur in ihre Krisis. Immer wenn Religion und Kultur eine Symbiose bilden, wird der christliche Glaube mit hineingerissen in den Zusammenbruch der Hoffnung.(65) "Hier trennt sich die Theologie von der Selbstsicherheit der Moderne und ihrer Zuversicht in den Fortschritt des Menschengeschlechts. Nicht mehr die mit liberaler Brillanz notierte Selbstauflösung des Dogmas zur entwickelten Sittlichkeit und kulturell hochstehenden Religion, sondern die Entlarvung der Fortschrittsgläubigkeit der Moderne ... bestimmt den Blick auf Kultur und Gesellschaft" (B. Nebling). Dennoch nennt Barth die Kunst eine jener Instanzen, die uns die Relativität der Welt zu zeigen vermögen.(66) Kunstwerke schaffen heißt nach Barth, besondere Werke zu schaffen, Werke, die sich durch ihre Differenz zu allen anderen Bereichen menschlichen Lebens auszeichnen. Das Werk des Künstlers steht "neben den lebensnotwendigen Werken der eigentlichen Arbeit, neben der Wissenschaft, neben Kirche und Staat"(67). Und er fährt fort: "Das wagt doch der Mensch in der Kunst: die gegenwärtige Wirklichkeit in ihrem schöpfungsmäßigen Das-Sein, aber auch in ihrem So-Sein als Welt des Sündenfalls und der Versöhnung nicht letztlich ernst zu nehmen, sondern neben sie eine zweite, als Gegenwart nur höchst paradoxer Weise mögliche Wirklichkeit zu schaffen, ohne von jener loszukommen"(68). In der Kunst wird nach Karl Barth, "die Problematik der Gegenwart gerade darum und darin ernstgenommen, dass sie in ihrer Beschränktheit eingesehen, dass sie in der Aisthesis grundsätzlich überboten wird ... Das Wort und Gebot Gottes fordert Kunst".(69)
Werfen wir nun einen Blick auf die Gegenwart. Seit Mitte der 70'er Jahre des 20. Jahrhunderts befanden sich die westeuropäischen Gesellschaften in einem sich beschleunigenden Prozeß der Ästhetisierung der Lebenswelten.(70) Der Museumsboom(71), der explodierende Kunstmarkt, die Kongresse zur Ästhetik(72), eine überschäumende Literatur zum Thema, die Verwendung von Worten wie "Ästhetik" in der Werbung selbst für triviale Alltagsgegenstände waren Symptome dafür. Während uns die Bilder multimedial überfluten, richten wir unseren Alltag zunehmend ästhetisch ein. Bilder bestimmen das Design unseres Lebens, die Gegenstände, mit denen wir uns umgeben, sind Etiketten zur privaten wie öffentlichen Darstellung: der Anzug von BOSS, das Jackett von Lagerfeld, die Oberhemden von Leineweber, das T-Shirt von Lacoste, die Schreibtischlampe Tizio von Artemide, der Flötenkessel von Alessi, der de-Stijl-Stuhl von Rietveld, die Liege von Corbusier. Die Zeit zwischen Innovation und Reproduktion wird immer kürzer. Inflation der Bilder und Ästhetisierung der Lebenswelt sind die beiden komplementären Seiten in der Veränderung unserer Weltwahrnehmung und -darstellung. In der bildenden Kunst zeigte sich dies in der Renaissance der Figuration in der Malerei: der Hunger nach Bildern(73) wurde ebenso befriedigt wie die Sehnsucht nach dem Heiligen(74). Ästhetik und Kunst wurden Paradigmen einer neuen Epoche: der Post-Moderne.
Deutlich ist, dass der Trend der Ästhetisierung der Lebenswelten seit einigen Jahren seinen Höhepunkt überschritten hat. Ernüchterung ist in die heiligen Hallen der Kunst eingekehrt. Die Kunstmärkte haben ihre Erwartungen herabgeschraubt und auch die Besucherströme in die Kathedralen der Kunst sind schmaler geworden. Dem Rausch der Sinne folgt die Selbstbesinnung. Nach dem Run auf die Kunst steht nun die Kunst selbst auf dem Prüfstand. Wer sich heute in der Kunstszene umblickt, trifft auf eine Fülle unterschiedlicher, oft widersprüchlicher Tendenzen. Allerdings sind in der Vielfalt der Erscheinungsformen durchaus charakteristische Züge wahrzunehmen.(75) Dazu zählen die Wiederkehr des Moralismus in der Kunst, ihre außerästhetische Orientierung am Guten, die Aufnahme gesellschaftlicher Themen, die Neuentdeckung des Körpers, der Rekurs auf die Metaphysik zur Begründung der Kunst(76) und nicht zuletzt die verstärkte Reflexion auf ihre Geschichte. Das "Betriebssystem Kunst" (Kunstforum) reflektiert sich selbst.
Auch die Kirchen wurden vom Ästhetisierungsschub der Gesellschaft angestoßen. Seit der Mitte der 70'er Jahre des 20. Jahrhunderts hat sich das Verhältnis zur Kunst wesentlich verbessert. Wir verzeichnen zahlreiche kirchliche Ausstellungen mit zeitgenössischer Kunst(77), Gesellschaften und Arbeitskreise zur Auseinandersetzung mit Kunst und Ästhetik wurden gegründet(78), in den Evangelischen Akademien sind Tagungen mit ästhetischen Themen Publikumsrenner(79), in Gottesdiensten und Gotteshäusern wird den Bildern zunehmend Raum gewährt(80). Manchmal will es so scheinen, als ob, wie in der Mitte des letzten Jahrhunderts, die heutigen Prediger am liebsten jedes Predigtthema als Bild malen lassen und unter die Kanzel hängen würden(81). Die "Botschaft der Bilder"(82) wird in den Kirchen gern gehört. Im Unterschied zum Streit um die autonome Kunst kann und muß heute daher frei von aller Apologie und aller dogmatistischen Kulturkritik das Tragende der Beziehung von Kunst und Kirche, die Überschneidungen von ästhetischer und religiöser Erfahrung erörtert werden.
Allerdings ist die konflikthafte Auseinandersetzung um die Bedeutung der Kunst für die Kirche keinesfalls beendet. Innerkirchlich ist vielmehr ein Kampf um die Bilder und ein Kampf verschiedener Bilder von der Kirche virulent. Ein derartiger Streit ist gut protestantisch.(83) Zu beobachten sind mehrere Positionen im Widerstreit:
- zum einen die Mehrzahl derer, die dem überlieferten Bild der Kirche verbunden sind, die den status quo erhalten möchten und von der Kirche Ruhe und Bestätigung erwarten und in ihr eine Zuflucht vor den Wirren des Alltags sehen. Sie können sich kaum vorstellen, dass moderne Kunst in ihrer Kirche Platz findet.(84)
- zum zweiten gibt es einen innerkirchlichen Modernismus, der auf kulturelle Anpassung drängt, der sich von der Beschäftigung mit zeitgenössischer Kunst einen Attraktivitätsschub verspricht und für den die Kirche mit ihren Aktivitäten letztlich (nur) ein Teil der Erlebnisgesellschaft(85) darstellt.
- zum dritten jene, für die die Auseinandersetzung mit der Kultur weit mehr ist als eine modernistische Anpassung, sondern eine elementare Frage der Gestaltwerdung von Theologie und Kirche(86), für die die Wahrheit nicht notwendig im Konsens, sondern auch im Widerstreit liegen kann.(87)
Von allen skizzierten Positionen, sowohl aus der Reformation wie aus der gesellschaftlichen Moderne lernen wir etwas für den aktuellen protestantischen Umgang mit der Kultur. Sie liefern uns die Paradigmen protestantischer Auseinandersetzungen mit der Kunst.
- Von Karlstadt ist aufzunehmen die besondere Beachtung der Wirkungs- bzw. Rezeptionsästhetik. Es kommt nicht nur darauf an, ob Bilder theologisch im Kontext der Kirche möglich sind, sondern auch darauf, wie sie in diesem Kontext empirisch wahrgenommen werden. Der theologische Einspruch muß mit Karlstadt dort ansetzen, wo Kunstwerken auf der Ebene der Praxis nicht ästhetisch, sondern kultisch rezipiert werden.
- Mit Luther ist darauf hinzuweisen, dass aus der Frage des Umgangs mit Kunst keine neue Gesetzlichkeit entstehen darf. Es kommt wesentlich auf den Betrachter, das freie Subjekt vor einem Kunstwerk an, ob Kunstwerke adäquat oder inadäquat rezipiert werden. Kunstwerken wohnt keine wie auch immer geartete 'böse' Macht inne, vor der sich der Gläubige zu fürchten hätte.
- Bei Zwingli lernen wir, dass die historische Differenzierung von Kunst und Glaube keine theologische Katastrophe ist, sondern dem Selbstverständnis des bürgerlich-humanistischen, aber auch des religiösen Subjekts am Beginn der Neuzeit entspricht und zugleich die Kunst für neue Aufgaben in die Profanität freisetzt.
- Durch Calvin werden wir daran erinnert, dass der Umgang mit religiöser Kunst im Kontext Kirche nicht im freien Belieben des bürgerlichen Subjekts, sondern unter Gottes Gebot steht. Überall dort, wo Kunst im Raum der Kirche in der Gefahr kultischer Wahrnehmung steht, muß theologischer Widerspruch laut werden. Aus der Wirkungsgeschichte des Calvinismus ist zu entnehmen, dass die theologische Kritik der religiösen Bilder nicht Bilderfeindschaft bedeuten muß, sondern in der Folge sogar eine besondere Zuwendung zur profanen Kunst bedeuten kann.
- Der Kulturprotestantismus verweist uns darauf, dass die in die Profanität entlassene Kultur weiter ein Ansprechpartner des Protestantismus' bleibt. Er erinnert uns an die ungelöste Aufgabe, autonome Kultur und Christentum in ein Gespräch gerade auch im Interesse einer humanen Zukunft der Menschen zu bringen.
- Paul Tillich verweist uns auf die Frage nach dem letzten Sinn der Kultur. Gibt es, jenseits aller Harmonisierungs- und Vereinnahmungsversuche, ein gemeinsames Ziel von autonomer Kultur und christlichem Glauben? Muss die Differenz von Kunst und Glaube das letzte Wort sein? Hat die Theologie vor der Autonomie zu schweigen? Darf Autonomie sich mit ihrer Selbstgettoisierung bescheiden?
- Karl Barth zeigt schließlich, dass die Kultur zwar theologisch keinen in sich positiven Wert darstellt, da auch sie der Korrumpierbarkeit des Menschen unterliegt. Insofern ist die Differenz von Evangelium und Kultur unaufhebbar. Aber auch wenn die Kultur unter dem eschatologischen Vorbehalt steht, nur begrenztes Menschenwerk zu sein(88), so ist sie dennoch "die dem Menschen ursprünglich gegebene Verheißung dessen, was er werden soll"(89). Dies aber nur in konsequenter Weltlichkeit ohne jegliche religiöse Verbrämung.
Aus all dem wird klar, dass wir uns der Herausforderung der autonomen Kultur nicht entziehen können. Wenn zutrifft, dass das "Auffallendste und Bezeichnendste an der Lebensführung des protestantischen Menschen ... ihre radikale Weltlichkeit"(90) ist, dann gilt es, auf das Alltagsverhältnis der Protestanten zur bildenden Kunst zu achten, es gilt, nach dem Verhältnis der Protestanten zur säkularen Kultur zu forschen. Ich habe unter Verweis auf gemeinsame Charakteristika von Protestantismus und moderner Kunst evident zu machen versucht, dass dieses Verhältnis sich produktiv in der Säkularität ereignet. Dennoch stellt sich die Frage, ob es nicht Ziel des Protestantismus sein muß, die autonome Kultur zu integrieren, sozusagen in das protestantische Selbstverständnis mit hineinzunehmen.
Abschließend möchte ich deshalb noch einmal auf die beiden Pole eingehen, zwischen denen sich die protestantische Auseinandersetzung mit der Kunst notwendig bewegt: der Versuch einer Integration der neuzeitlich differenzierten Diskurse einerseits und das Beharren auf ihrer Diastase andererseits. Mein eigener Einsatz in der Zuordnung der ausdifferenzierten Diskurse ist mit dem Titel meines Vortrags benannt, den ich einem Werk von Eberhard Mechels entnommen habe: "Diastase als Chance, funktionale Integration als Versuchung".(91)
Jeder der unterschiedlichen Versuche, Kunst in den religiösen Diskurs zu integrieren, unterliegt einer spezifischen Problematik. Jeweils werden Hoffnungen genährt, die sich bei näherer Betrachtung als illusionär erweisen. Der Versuch zur Integration kann, wie eingangs schon erwähnt, verschiedene Wege gehen.
- Integration kann zum einen bedeuten, sich auf die Suche nach religiösen Restbeständen in der Kultur der Gegenwart zu machen, d.h. jenen Teil der säkularen Kultur zu re-integrieren, der mit religiöser Symbolik arbeitet. Das Problem dabei ist, dass der Anteil religiöser Themen in der Kunst des 20. Jahrhunderts gerade einmal 4% ausmacht. Mit einem Schlag ginge der theologischen Hermeneutik der Kunst 96% der Kultur verloren.(92)
- Integration kann zum zweiten auf die existentiellen Implikationen zeitgenössischer Kunst setzen und in einem prädikativen Akt alles, was in der Gegenwartskultur mit Tod, Liebe, Sinn, Leiden zu tun hat, für die theo-ästhetische Grenzüberschreitung reklamieren. Kunst wird so (wieder einmal) zur Sprache der Religion.(93) Deutlich ist, dass dieser Akt nur im dezidierten Widerspruch zum Selbstverständnis der Mehrzahl der Künstler geschehen kann, so dass der religiöse Charakter nicht dem inneren Gehalt der Werke entspricht, sondern von außen an sie herangetragen wird.(94)
- Integration könnte zum dritten im Transistorischen aller Kunst ein Zeichen für Religiöses sehen.(95) Kunst wäre dann per se religiös, unabhängig vom Selbstverständnis des Diskurses und seiner Produzenten. Dieser Ansatz ist nicht zu widerlegen, er artikuliert einen einseitigen Geltungsanspruch der Religion er steht allerdings in der Gefahr, in pure Beliebigkeit umzuschlagen und alles für religiös zu halten.(96)
- Integration kann schließlich den Versuch bedeuten, selbst als Produzent von Kulturentwicklungen aufzutreten. Im Bemühen, durch gezielte Ausstellungen mit religiöser Thematik den kulturellen Prozeß zu beeinflussen, kann ich nur eine Re-Katholisierung des protestantischen Kulturverhältnisses sehen. Letztlich geht es nämlich dabei nur darum, "die Bilder und die in ihnen vagabundierende Einbildungskraft auf ein bestimmtes Referenzsystem - das Christentum" zu verpflichten.(97)
Mit Jean-François Lyotard gehe ich statt dessen davon aus, dass mit dem Versuch der Integration zweier ausdifferenzierter Diskurse keine Gerechtigkeit zu erlangen ist, d.h. dass immer ein Diskurs zu kurz kommt.(98) Entweder wird die Kunst religiös vereinnahmt oder die Theologie gibt ihr Spezifisches zugunsten der Anpassung an die Profanität auf.
Das Beharren auf Differenz könnte so verstanden werden, als gelte es, eine sich etablierende Konkurrenzreligion abzuwehren. Dieser Eindruck täuscht. Wer auf der Differenz zur Kunst beharrt und sich doch mit ihr beschäftigt, tut dies nicht aus Eifersucht(99), nicht aus Angst vor ihrer Verführungskraft, nicht aus Furcht vor der Macht der Bilder, sondern in Anerkenntnis der Freiheit der Kunst und der Individualität der Künstler sowie in der Konsequenz protestantischen Selbstverständnisses. Die verschiedenen Diskurse "entwickeln sich in einem komplexen synchronen und diachronen Spiel von Differenzen, das es zu bestimmen gilt."(100) Zu diesem Spiel der Differenzen gehört, dass sich die Ästhetik in der Neuzeit dezidiert als Gegen-Diskurs zur Religion etabliert hat.(101) In der antiken Ästhetik ist die intelligible Welt dem Sinnlichen übergeordnet. Die moderne Ästhetik revolutioniert diese Vorstellung: "Der Gegenstand der Ästhetik, die sinnliche Welt, existiert nur für den Menschen, sie ist im strengeren Sinne das dem Menschen Eigentümliche".(102) Schon in Alexander Baumgartens Aesthetica wird "die menschliche Sinnlichkeit ... so vorgestellt, als habe sie eine spezifische Struktur, die aus der Sicht Gottes nicht relativiert werden könnte".(103) Mit Kant und Nietzsche wird schließlich die "vollkommene Autonomie der Sinnlichkeit in bezug auf das Intelligible philosophisch begründet"(104) und jeder Bezug auf Gott ausgeschaltet: "Es ist hier angebracht, sich stets die Vorstellung zu vergegenwärtigen, dass das Sinnliche das Zeichen schlechthin der menschlichen Verfassung, der endlichen Erkenntnis darstellt. Es ist genau dies, durch welches sich der Mensch, der einen materiellen Körper und einen beschränkten Geist hat, von Gott, der reiner Geist und allwissend ist, unterscheidet. Die Bejahung der Autonomie des Sinnlichen bedeutet in diesem Zusammenhang nichts weiter, als die radikale, vielleicht endgültige Trennung des Menschlichen und des Göttlichen".(105) Mit dieser Differenzierung trifft sich die Ästhetik mit jener Theologie der Diastase, die auf der Auseinander-Setzung von Kultur und Glaube besteht.
Einsichtig ist, dass weder das zu rasche Konstatieren von Gemeinsamkeiten der verschiedenen Diskurse noch die einfache Behauptung von Unterschieden weiterführt.(106) Es kommt darauf an, bei Anerkenntnis der vorhandenen, historisch entwickelten Differenzen zu einer Art des sich ergänzenden, sich bestreitenden, sich gegenseitig zulassenden und bereichernden Zusammenspiels zu kommen. Ich stelle mir das Zusammenspiel der Differenzen so vor, dass jeder zunächst einmal je nach Situation sein spezifisches Spiel spielt, dass er die Spielregeln des jeweiligen Diskurses kennen und beherrschen muß. Viele Übergangsversuche bzw. Integrationsversuche zwischen den Diskursen von Theologie und Ästhetik, Kunst und Religion scheitern schon daran, dass die Diskursregeln eines der beteiligten Diskurse missachtet werden, so dass einer der beiden Diskurse gar nicht, geschweige denn ein Dialog zustande kommt. Wer Schach nach den Regeln des Tennis spielt, spielt das falsche Spiel. Aber über Spielregeln an sich, über den Charakter von Spielen, über ihren Sinn und Zweck kann man sich unterhalten. Weiterhin ist es nicht so, dass der eine Mensch den einen Diskurs und der andere Mensch den anderen Diskurs führt und beide nun intersubjektiv zu einer Art Konsens kommen müssten. Den Widerstreit der Diskurse tragen wir vielmehr in uns aus, wobei wir je nach Sozialisation mehr dem einen oder dem anderen Diskurs zuneigen. Was wir zu lernen haben, ist das Zulassen der Differenzen zwischen diesen Diskursen, das Bezeugen ihres Widerstreits, das Aufgeben der Obsession auf Einheit. Die Aufgabe lautet, ästhetische Wahrnehmungsfähigkeit und theologische Urteilskraft so in eine Konstellation zu bringen, dass beide zu sprechen beginnen.
Anmerkungen
- Den im folgenden skizzierten Ansätzen analog ist die unterschiedliche Beerbung des historischen Vorgangs der Säkularisierung durch die Theologie: sie kann entweder "ein Abfall, ein Verlust des spezifisch Christlichen an die von Sünde geprägte Welt oder aber die Verwirklichung des Christlichen in der Gestaltung und Veränderung der Welt" sein vgl. O. Bayer, Umstrittene Freiheit. Theologisch-philosophische Kontroversen, Tübingen 1981, S. 9f. Dementsprechend ist die Antwort entweder die Ablehnung des Modernismus und der Versuch der Reintegration oder die positive Auseinandersetzung mit der entstandenen Situation. Vgl. auch W. Sparn, "Protestantisches Christentum und Säkularisierung - Entwicklungen und Lernprozesse" In: Das Wiedererwachen der Religionen als pädagogische Herausforderung, hg. von J. Lähnemann. Hamburg 1992, S. 28-37.
- Was L. Fiedler für das Verhältnis von U- und E-Kultur fordert, die Überquerung der Grenzen und das Schließen der Gräben ist auch das Programm der Integrationisten auf dem Gebiet von Kunst und Kirche. Vgl. L. Fiedler, "Überquert die Grenze, schließt den Graben! Über die Postmoderne." (Cross the Border - Close the Gap). In: Wege aus der Moderne. Schlüsseltexte der Postmoderne-Diskussion. Hg. von W. Welsch. Weinheim 1988. S. 57-74.
- Vgl. M. Weber, "Vom inneren Beruf zur Wissenschaft" in: ders., Soziologie - Universalgeschichtliche Analysen - Politik, Stuttgart 5/1973, S. 311-339, hier S. 328.
- Vgl. z.B. R. Bultmann, "Religion und Kultur" In: J. Moltmann (Hg.), Anfänge der dialektischen Theologie, Band. II. 4. Auflage. München 1987. S. 11-29.
- A. Mertin, "Der allgemeine und der besondere Ikonoklasmus. Bilderstreit als Paradigma christlicher Kunsterfahrung." In: Kirche und moderne Kunst. Eine aktuelle Dokumentation. Hg. Mertin/Schwebel. Frankfurt 1988. S. 146-168 ders., "Religiöse Kunst heutzutage ist nichts als Blasphemie! Zum Verhältnis von Kunst und Theologie in der Gegenwart". Anstöße 39, 1989, H. 4.
- Diese unterschiedlichen Denkansätze artikulieren sich nicht konfessionsspezifisch. Vgl. für den Versuch der Integration auf katholischer Seite z.B. E. Simons, "Kunst statt Religion? Zur Bestimmung des Verhältnisses von Kunst und Religion." Kunst und Kirche, 1988. S. 200f. ders., "Gibt es christliche Kunst? Zur dramatischen Geschichte und Gegenwart christlicher Kunst." Das Münster 42, 1989, H. 1-4. H. Schade SJ, "Kirche und autonome Kunst." In: Die Kunst und die Kirchen. Der Streit um die Bilder heute. Hg. von Beck, Volp u. Schmirber. München 1984. S. 155-169. Für den Versuch der Integration auf protestantischer Seite: R. Volp, Das Kunstwerk als Symbol. Ein theologischer Beitrag zur Interpretation der bildenden Kunst. Gütersloh 1966. Für das Beharren auf Diastase auf katholischer Seite: R. Hoeps, Bildsinn und religiöse Erfahrung. Hermeneutische Grundlagen für einen Weg der Theologie zum Verständnis gegenstandsloser Malerei. Frankfurt/Bern/New York/Paris 1984 ders., "Bild und Ikonoklasmus. Zur theologisch-kunsttheoretischen Bedeutung des Bilderverbots". In: Dohmen/Sternberg (Hg.). ...kein Bildnis machen. Kunst und Theologie im Gespräch. Würzburg 1987. S. 185-203. Für das Beharren auf Diastase auf protestantischer Seite: Th. Lehnerer, "Kunst - Selbstzweck und Totalität. Über die Autonomie der Kunst gegenüber der Religion". Kunst und Kirche 1987. S. 39-41.
- W. Hofmann, "Die Geburt der Moderne aus dem Geist der Religion". In: Luther und die Folgen für die Kunst. Hg. v. W. Hofmann. Katalog der Hamburger Kunsthalle. 11. November 1983 - 8. Januar 1984. München 1983. S. 23-71.
- E. Simons, "Kunst statt Religion?", a.a.O., S. 199
- E. Simons, "Gibt es christliche Kunst?", a.a.O., S. 160. Freilich muß daran erinnert werden, dass bereits Bernhard von Clairvaux die kaum kontrollierbare Kunst aus den Kirchen entfernt wissen wollte, weil sie bei der Konzentration auf das Wort störte.
- Vgl. E. Simons: "So gesehen hat der reformatorisch-protestantische Kunst- und Kirchensturm auch die katholische Kirche einigermaßen eingeholt und untergraben" (Kunst statt Religion?, a.a.O. S. 201) oder: "Im Verlauf des 19. Jahrhunderts aber hat sich auch die katholische Kirche de facto der reformatorischen Kunstvertreibung und Kunst-Exkommunikation angeschlossen oder ist von dieser eingeholt worden" (Gibt es christliche Kunst?, a.a.O. S. 67). Letztlich dürfte auch die Argumentation von A. Lorenzer darauf hinauslaufen, dass eine nicht ästhetisch vermittelte Religion langfristig Schaden nimmt. Vgl. A. Lorenzer, Das Konzil der Buchhalter. Die Zerstörung der Sinnlichkeit. Eine Religionskritik. Frankfurt 1981. Lorenzers Bild der Religion ist dabei jedoch im wesentlichen funktionalistisch orientiert. Für den Protestantismus konzediert er zudem eine geschichtliche Differenz, die darin besteht, dass der Protestantismus damals an der Spitze der bürgerlichen Transformationsprozesse der Gesellschaft gestanden habe, während der Katholizismus seine Reformen unzeitgemäß durchführt. Von der "Protestantisierung" des Katholizismus in einem eher neutralen Sinn spricht wiederholt P.L. Berger, Auf den Spuren der Engel. Die moderne Gesellschaft und die Wiederentdeckung der Transzendenz. Freiburg/Basel/Wien 2/1992, S. 38 ders., Der Zwang zur Häresie. Religion in der pluralistischen Gesellschaft. Freiburg/Basel/Wien 1992, S. 70ff.
- E. Simons, "Gibt es christliche Kunst?", a.a.O., S. 68.
- Ebenda, S. 159.
- Man vergleiche unter diesem Aspekt etwa die Interviews die Fr. Mennekes SJ mit verschiedenen Künstlern geführt hat. Vgl. von der Grinten/Mennekes, Menschenbild - Christusbild: Auseinandersetzung mit einem Thema der Gegenwartskunst. Stuttgart 2/1985, dies., Mythos und Bibel: Auseinandersetzung mit einem Thema der Gegenwartskunst. Stuttgart 1985 dies., Abstraktion - Kontemplation: Auseinandersetzung mit einem Thema der Gegenwartskunst. Stuttgart 1987.
- Vgl. H. Belting, Bild und Kult: Eine Geschichte des Bildes vor dem Zeitalter der Kunst. München 1990. Vgl. auch G. Schröder, Logos und List. Zur Entwicklung der Ästhetik in der frühen Neuzeit. Frankfurt 1985: "In einer ersten Annäherung kann man den gesellschaftlichen Ort der Kunst in der frühen Neuzeit bestimmen als den, den die Kirche als normative Instanz freigibt. Wenn die Kunst in eine institutionelle Lücke tritt, so ist sie doch eben dadurch charakterisiert, dass sie keine Institution ist.[28]" - "In der Problematik des Bildes treffen sich religiöse Reformbewegung und der neuzeitliche wissenschaftliche Diskurs. Sie tritt desto stärker in den Vordergrund, je mehr sich der Bruch zwischen Welt und Gott, Immanenz und Transzendenz vergrößert. Die Bibel lässt prinzipiell zwei Deutungen der Welt zu: sie kann gedacht werden als Schöpfung Gottes, d.h. als Kunstwerk, in dem der Schöpfer sich spiegelt. Als sichtbare Offenbarung ihres unsichtbaren Schöpfers hat die christliche Welt eine andere Schönheit als der antike Kosmos - gemeinsam sind ihnen aber die Eigenschaften der Proportion und Harmonie und der Bedeutungscharakter des Sinnlichen. Das Prinzip der "analogia entis" lässt auch den geringsten Bestandteil teilhaben am universalen Sinnzusammenhang. Die zweite Möglichkeit besteht darin, Gott als den ganz anderen zu denken, der zwar die Welt erschaffen hat, aber seiner Schöpfung, vor allem der gefallenen Schöpfung, unendlich überlegen ist. Max Weber hat von der Entzauberung der Welt durch das Christentum gesprochen: der Satz von Nikolaus von Cues, dass es für das Begrenzte und das Unbegrenzte kein gemeinsames Maß gebe, ist hierzu ein entscheidender Schritt, er verbannt den Begriff der Analogie aus dem theologischen und aus dem wissenschaftlichen Diskurs. Im theologischen Diskurs entsteht daraus die Schwierigkeit, dass dem Begriff Gottes kein Bild je adäquat sein kann. Die Entzauberung der Welt, der Bruch zwischen Immanenz und Transzendenz ist andererseits die Voraussetzung der Entstehung des neuzeitlichen wissenschaftlichen Diskurses über die Welt: sie ermöglicht, die Natur und die Gesellschaft als gesetzmäßigen, nicht als Sinnzusammenhang zu denken. Zugleich geht aber auch die Garantie dafür verloren, dass das Bild von der Wirklichkeit, das man sich macht, dieser entspricht. Die Radikalisierung des Begriffs der Offenbarung in den Reformbewegungen und die Bemühung um das authentische Textverständnis haben hierin ihren historischen Ort." [199f.]
- K. Marti, "Christus, die Befreiung der bildenden Künste zur Profanität." EvTheol 18, 1958, S. 371-375. K. Lüthi, "Theologische Bemerkungen zum Selbstverständnis der modernen Malerei". ZEE, 1961, S. 259-272.
- So lautete der Titel einer Tagung der Evangelischen Akademie Nordelbien: "Von der Rückkehr der Bilder". Für die substantielle Integration der säkularen Kunst in die Kirche plädiert auch H. Winde. Vgl. H. Winde, Kunst und Sakrament, Darmstadt 1989.
- Dies dürfte der Ansatzpunkt P. Tillichs und der auf ihm aufbauenden Kulturtheologen der Gegenwart sein. Vgl. P. Tillich, "Über die Idee einer Theologie der Kultur" (1919). In: Ders., Die religiöse Substanz der Kultur. Schriften zur Theologie der Kultur. GW Bd.IX, Stuttgart 2/1975. S. 13-31. In der aktuellen Debatte wird dieser Ansatz u.a. von H. Schwebel vertreten. Vgl. H. Schwebel, Autonome Kunst im Raum der Kirche, Hamburg 1968 ders. "Kunst im Kontext Kirche. Positionen - Anti-Positionen - Praktische Folgerungen". In: Schwebel/Mertin (Hg.), Bilder und ihre Macht, Zum Verhältnis von Kunst und christlicher Religion. Stuttgart 1989. S. 232-250.
- Vgl. etwa H. Timm, Das ästhetische Jahrzehnt. Zur Postmodernisierung der Religion. Gütersloh 1990
- A. Mertin, "Religiöse Kunst heutzutage ist nichts als Blasphemie!", a.a.O. ders., "Der Triumph der Religion in den Künsten?" Kunst und Kirche 4/1989, S. 243-245.
- W. Sparn, "Protestantisches Christentum und Säkularisierung. Entwicklungen und Lernprozesse", a.a.O., S. 30
- P. Steinacker, "Kirche, die Institution der Befreiung", NZSTh 27, 1985, S. 290-314, hier S. 291f.
- H.-G. Soeffner, "Die Fragwürdigkeit der Kunst im Protestantismus" In: Bürgel/Müller/Volp (Hg.), Kirche im Abseits? Stuttgart 1991, S. 39-53.
- P. L. Berger: Der Zwang zur Häresie, a.a.O., S. 70.
- H.-G. Soeffner, "Die Fragwürdigkeit der Kunst im Protestantismus", a.a.O., S. 48.
- Das Krisenbewusstsein der Kunst wird nicht zuletzt mit der ästhetischen Avantgarde um die Jahrhundertwende institutionalisiert.
- Im Register von E. Drewermanns "Tiefenpsychologie und Exegese" erscheint unter dem Stichwort "Bildzerstörung" gleich der Hinweis "s. Protestantismus".
- So auch W. Hofmann, "Die Geburt der Moderne aus dem Geist der Religion", a.a.O., S. 43.
- B. Brock, Ästhetik als Vermittlung. Arbeitsbiographie eines Generalisten. Köln 1977, S. 327.
- A. Karlstadt, Von Abtuhung der Bilder. Hg. von H. Lietzmann, Bonn 1911.
- Vgl. H. Schwebel, Das Christusbild in der Bildenden Kunst der Gegenwart. Gießen 1980, S. 100ff. D. Neuhaus, "Wort und Bild" In: Die Kirche im Wort. Arbeitsbuch zur Ekklesiologie. Hg. von E. Mechels und M. Weinrich. Neukirchen-Vluyn 1992, S. 86-102, hier S. 89.
- Vgl. H. Schwebel, Das Christusbild in der bildenden Kunst der Gegenwart, a.a.O., S. 109ff.
- M. Luther, MA, BD. 4, 2/1938, S. 57f.
- W. Hofmann, "Die Geburt der Moderne aus dem Geist der Religion", a.a.O., S. 50.
- H. Schwebel, Das Christusbild in der bildenden Kunst der Gegenwart, a.a.O., S. 108.
- W. Grasskamp: Museumsgründer und Museumsstürmer. Zur Sozialgeschichte des Kunstmuseums. München 1981, S. 18: "So eröffnete die Stadt Zürich 1629 in einer enteigneten Kirche eine öffentliche Bibliothek und Galerie, deren Bestand sich aus im Rahmen der Reformation konfiszierten Kirchenbesitz rekrutierte."
- Überhaupt ist der Begriff Bilderfeindschaft in fast allen Fällen, in denen er gebraucht wird, unzutreffend. Gemeint es jedes Mal die Kritik der religiösen Bilder und damit die Kritik einer überholten Kunstform. Es sind ja nicht die Reformatoren allein, die den Rückgang der religiösen Kunst verursacht haben, vielmehr geben sie nur einer Bewegung Ausdruck, die seit dem 12./13. Jahrhundert religiöse Kunst zugunsten profaner Kunst zurücktreten lässt. Im 16. Jahrhundert beträgt der Anteil religiöser Kunst, der im 12. Jahrhundert noch 97% betragen hatte, gerade noch 66%. Vgl. dazu Funkkolleg Sozialer Wandel, 2 Bde., Frankfurt 1975, Band 2, S. 237ff.
- J. Calvin, Unterricht in der christlichen Religion. Institutio christianae religionis. Hg. von O. Weber. Neukirchen-Vluyn 5/1988.
- Als Beispiel dient Calvin die Erzählung vom Goldenen Kalb. Keinesfalls verwechselten die Israeliten das Kalb mit dem Gott, der sie aus Ägypten geführt hatte, aber sie wollten im religiösen Kultus eine sichtbare Gestalt, etwas, woran sie sich (sinnlich) halten konnten. Sie wollten die Nähe Gottes sinnlich erfahren.
- Institutio I,11,12.
- So W. Hofmann, "Die Geburt der Moderne aus dem Geist der Religion", a.a.O., S. 37.
- Vgl. M. Weber, "Die Berufsethik des asketischen Protestantismus" in: ders., Die protestantische Ethik I: Eine Aufsatzsammlung. Hg. von J. Winckelmann. 5. Auflage. Gütersloh 1979, S. 115ff.
- Ebenda, S. 123.
- Ebenda, S. 176f.
- Ebenda S. 178. In der Gegenwart urteilt ähnlich noch W. Stark, "Die Kalvinistische Ethik und der Geist der Kunst." In: Aspekte der Kultursoziologie, hg. von J. Stagl. FS M. Rassem. Berlin 1982. S. 87-96.
- M. North, Kunst und Kommerz im Goldenen Zeitalter. Zur Sozialgeschichte der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts. Köln/Weimar/Wien 1992.
- Ebenda, S. 129.
- Ebenda, S. 137.
- Ebenda, S. 152f.
- Ebenda, S. 162.
- H. Freier, Die Rückkehr der Götter. Von der ästhetischen Überschreitung der Wissensgrenze zur Mythologie der Moderne. Eine Untersuchung zur syst. Rolle der Kunst in der Philosophie Kants und Schellings. Stuttgart 1976.
- J. Rieder, "Kunst und Religion in der Frühromantik. Offenbarung als göttliche Inspiration im Künstler ..." In: Bilder und ihre Macht. Hg. von Schwebel/Mertin. Stuttgart 1989. S.68-79. H. Timm, Die heilige Revolution: Das religiöse Totalitätskonzept der Frühromantik - Schleiermacher - Novalis - Friedrich Schlegel. Frankfurt 1978.
- Th. Lehnerer, Die Kunsttheorie Friedrich Schleiermachers. Stuttgart 1987. Jan Rohls, "'Sinn und Geschmack fürs Unendliche' - Aspekte romantischer Kunstreligion". NZSTh 27, 1985. S. 1-24.
- B. Barth, Schellings Philosophie der Kunst: Göttliche Imagination und ästhetische Einbildungskraft. Freiburg/München 1991.
- Vgl. etwa G. A. Krieg, "Die Ästhetik von C.I. Nitzsch." ZKG 99, H. 2, 1988, S. 147-167.
- G. A. Krieg, "Theologische Ästhetik und nachchristliches Bewußtsein". PTh 81, 1992. S. 181-200. W. Perpeet, Kierkegaard und die Frage nach einer Ästhetik der Gegenwart. Halle an der Saale 1940.
- Vgl. W. Sparn, "Protestantisches Christentum und Säkularisierung", a.a.O., S. 31.
- Vgl. zum folgenden auch A. Grözinger, "Theologie und Kultur. Praktisch-Theologische Bemerkungen zu einem komplexen Zusammenhang". ThPr 24, 1989, S. 201-213.
- Vgl. dazu Fr. W. Graf, "Kulturprotestantismus. Zur Begriffsgeschichte einer theologiepolitischen Chiffre". Archiv für Begriffsgeschichte 28, 1984, S.214-268 ders., "Art. Kulturprotestantismus", TRE Bd. 20, S. 230ff.
- Zit. n. Fr. W. Graf, "Art. Kulturprotestantismus", a.a.O., S. 232.
- "Der liberale Protestantismus war bis zum Ersten Weltkrieg insofern anthropologisch eingestellt, als er die Wahrheit der christlichen Überlieferung aus konkreten Fakten der Menschheitsgeschichte ableiten zu können glaubte. Einer Zeit des triumphierenden bürgerlichen Geistes entsprach eine Anthropologie des Vertrauens in die Vervollkommenbarkeit des Menschen und den progressiven Verlauf seiner Geschichte", P. Berger, Auf den Spuren der Engel, a.a.O., S. 79.
- Erwähnenswert ist hier die Position R. Bultmanns. Bultmann hat sich 1920 in seinem noch deutlich von W. Herrmann beeinflussten Aufsatz "Religion und Kultur" zum Thema geäußert. Für die Kunst beschreibt Bultmann den Prozeß ihrer Emanzipation von der Religion. Schon für die Kunst der Antike gelte, dass "ihr der religiöse Charakter nur als ein für Entstehung charakteristisches äußerliches Gewand anhaftet in ihrem eigentlichen Wesen ist sie profan geworden" (S. 13). Für die moderne Kunst gelte um so mehr, dass sie nicht mehr im Dienst religiöser oder gar kultischer Zwecke stehe. Kriterium der Kunst sei ihre Formensprache und nicht ihr etwaiger religiöser Gehalt. Bultmann summiert: "Weder ist ein Kunstwerk als Kunstwerk religiös, noch führt ästhetisches Genießen zur Religion" (S. 19). Eine religiöse "Begründung" der Kultur kann Bultmann nur darin entdecken, dass die Kultur als Geschenk wahrgenommen wird. Die Fähigkeit, sich diesem Geschenk zu öffnen ist "die Geburtsstunde der Religion" (S. 25).
- P. Tillich, "Die sozialistische Entscheidung" in: Christentum und soziale Gestaltung. Frühe Schriften zum Religiösen Sozialismus, GW II, S. 256/264.
- Ich gehe daher mit A. Grözinger davon aus, "dass die Tillichsche These von der Religion als der Substanz der Kultur nicht dazu geeignet ist, die ästhetischen Grundzüge der Moderne sachgerecht in den Blick zu bekommen". Grözingers Diagnose bringt Tillichs 'Dilemma' auf den Punkt: "Entweder man muß die richtungsweisenden künstlerischen Werke des 20. Jahrhunderts als Objekte interpretieren, die letztendlich einem defizitären Leitbild der Kultur folgen, oder man muß die These einer sie kennzeichnenden religiösen Grundierung in einem interpretativen Gewaltakt von außen herantragen. Beide Vorgehensweisen sind jedoch extreme Formen einer heteronomen Bestimmung von Kultur, ein Verfahren also, welches Tillich selbst als nicht sachgemäß angesehen hat." A. Grözinger, "Theologie und Kultur", a.a.O., S. 206.
- Dabei ist K. Barth sehr nah an analogen Überlegungen der kritischen Theorie vgl. etwa Th. W. Adornos Ausführungen zur Kultur in: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Frankfurt 1981.
- Andererseits steht Barth den damals modernen Kunstrichtungen näher, als er selbst sich das wohl hätte eingestehen wollen, ist sein Römerbriefkommentar, wie H.-R. Müller-Schwefe 1958 geschrieben hat, selbst ein expressionistisches Sprachkunstwerk und teilt darüber hinaus nicht nur rein sprachlich die Weltauffassung des Expressionismus. H. Zahrnt urteilt: "In Barths Römerbrief brodelt und wirbelt es wie in einem Vulkan. Er schleudert seine Gedanken und Sätze ähnlich aus sich heraus wie van Gogh seine Bilder". H. Zahrnt, Die Sache mit Gott. Die protestantische Theologie im 20. Jahrhundert, Gütersloh o.J., S. 25. Vgl. auch P. Steinacker, "Karl Barths 'Römerbrief'. Ein expressionistischer Schrei?" Anstöße 34, Hofgeismar 1987, S. 12-22 W. Schneider, "Sprache und Kultur in Karl Barths 'Kirchlicher Dogmatik'. Zur kommunikativen Vielfalt der Theologie Barths", ebenda, S.12-21 D. Andresen, "Karl Barth und die Kultur" PTh 77, 1988, S. 220-240.
- K. Barth, Ethik II. Vorlesung Münster Wintersemester 1928/29, wiederholt in Bonn, Wintersemester 1930/31 (Gesamtausgabe II. Akademische Werke 1928/29), hg. von D. Braun, Zürich 1978.
- Ebenda, S. 439
- Ebenda, S. 440.
- Ebenda, S. 442.
- Vgl. Rüdiger Bubner, "Mutmaßliche Umstellungen im Verhältnis von Leben und Kunst" In: ders., Ästhetische Erfahrung, Frankfurt 1989, S. 121ff. ders., "Ästhetisierung der Lebenswelt", ebenda, S. 143-156 ders. "Ästhetisierung der Lebenswelt. Ein Gespräch mit Florian Rötzer". Kunstforum 112, 1991, S. 84-91.
- Vgl. S. Dimpker, Das Museum als Kultort. Musealisierung als Form impliziter und individualisierter Religion. i.Vorb.
- Vgl. z.B. den Kongress "Die Aktualität des Ästhetischen", Hannover 2.-5. September 1992, jetzt veröffentlicht in: W. Welsch (Hg.), Die Aktualität des Ästhetischen. München 1993.
- Faust/de Vries, Hunger nach Bildern, Köln 1982
- Vgl. A. Mertin, "Schön, heilig, schrecklich? Marginalien zur Gegenwartskunst." In: Schwebel/Mertin (Hg.), Bilder und ihre Macht, a.a.O., S. 32-15.
- Vgl. A. Mertin, "Kunst und Leben im Übergang. Marginalien zur Gegenwartskunst", medien praktisch 3/1994.
- G. Steiner, Von realer Gegenwart: Hat unser Sprechen Inhalt? München 1990. A. Mertin, "Ist Gott eine ästhetische Formel? Von Meistern der Leere, Sinnsuchern und theologischen Zwergen." Kunst und Kirche 1993. S. 32-37.
- Vgl. Bilder sind nicht verboten. Katholikentag 1982. Städtische Kunsthalle und Kunstverein für die Rheinlande, Düsseldorf 1982. W. Schmied (Hg.): GegenwartEwigkeit: Spuren des Transzendenten in der Kunst unserer Zeit. Berlin 1990 ders. (Hg.), Zeichen des Glaubens - Geist der Avantgarde: Religiöse Tendenzen in der Kunst des 20.Jahrhunderts. Stuttgart 1980. Schwebel/Schmidt (Hg.): Abendmahl. Zeitgenössische Abendmahlsdarstellungen. Marburg 1982 dies. (Hg.): Die andere Eva. Wandlungen eines biblischen Frauenbildes. Menden 1985 dies. (Hg.): Ecce Homo. Vom Christusbild zum Menschenbild. Menden 1987 dies. (Hg.): Liebe und Eros. Metamorphosen biblischer Tradition. Marburg 1992. Epting/Gräb (Hg.): Botschaften. Die Bedeutung der Kunst für die Kirche, erlebt in der Evangelischen Kirchengemeinde Öflingen. Lahr 1988 dies. (Hg.): Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung. Karlsruhe 1990 dies. (Hg.): Wege. Karlsruhe, 1993.
- So etwa der Arbeitskreis "Theologie & Ästhetik" der Akademien Hofgeismar und Arnoldshain oder die Gesellschaft für Kirche und Kunst ARTHEON.
- D. Neuhaus, "Der Schatten der Bilder. Versuch eines Protestanten, den Bildern ins Wort zu fallen." Einwürfe 4, 1987. S. 79-114.
- W. Kratz (Hg.): Predigtbilder. Frankfurt 1988ff. Schmidt/Schwebel (Hg.): Mit Bildern predigen. Gütersloh 1989. Vgl. dazu A. Mertin, "Kunstvoll predigen. Der Umgang mit Kunstwerken in homiletischer Perspektive" In: Schwebel/Mertin (Hg.), Bilder und ihre Macht, a.a.O., S. 212-231 ders., "Homiletik unter dem Bilderverbot. Skeptische Bemerkungen zur Kunst in der Predigt" In: Anstöße - Theologie im Schnittpunkt von Kunst, Kultur und Kommunikation, hg. von I. Möller. Darmstadt 1991. S. 159-167. Kl. Raschzok, "Mit Bildern verkündigen. Methodische Grundlagen einer ikonischen Homiletik", Kirche und Kunst 1992 (H. 2), S. 42-48.
- Schon in der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts hatte C.G.H. Schenk in seiner "Geschichte der deutschen protestantischen Kanzelberedsamkeit" bemerkt, es gäbe "so große Freunde des Bilderwesens, dass sie das Bild, über welches sie sprechen wollten, abmalen und an die Kanzel hängen ließen". Und er fährt fort: "So tief war also der Geschmack im Predigen gesunken". C.G.H. Schenk: Geschichte der deutschen protestantischen Kanzelberedsamkeit von Luther bis auf die neuesten Zeiten, Berlin 1841, S. 67.
- So lautet der Titel einer von den beiden großen Kirchen mit produzierten Fernsehreihe bei RTL.
- Vgl. A. Mertin, Der allgemeine und der besondere Ikonoklasmus. Bilderstreit als Paradigma christlicher Kunsterfahrung, a.a.O.
- Vgl. A. Mertin, "Der Heidelberger Fensterstreit. Ein bürgerliches Trauerspiel in fünf Akten." In: Mertin/Schwebel (Hg.). Kirche und moderne Kunst, a.a.O., S. 99-112 ders., Perspektivenwechsel. Der Streit um die Kunst in Luttrum, Kunst und Kirche H. 4/1994.
- G. Schulze, Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart. Frankfurt/New York 3/1993. Das Setzen auf den Zeitgeist allein ist allerdings ein großes Risiko: gerade jene Randkreise innerhalb der Kirche, die man damit ansprechen möchte, treten am ehesten aus der Kirche aus: vgl. A. Mertin, "Ars ante portas? Skeptische Erwägungen zur Kunstvermittlung in der Kirche." Kunst und Kirche 1991. S. 190-194.
- A. Grözinger, Praktische Theologie und Ästhetik. Ein Beitrag zur Grundlegung der Praktischen Theologie. München 1987.
- Vgl. R. Hoeps, Leserbrief in: Kunst und Kirche 3/87, S. 231f.: "warum eigentlich spricht niemand von der Möglichkeit von Bildern, die dem christlichen Glauben radikal widersprechen, also häretisch genannt werden müssten? Gibt es sie nicht? Fallen sie dem numerus clausus der Theorie zum Opfer?" (S. 231)
- Vgl. R. Schaeffler, Was dürfen wir hoffen?, Darmstadt 1979, S. 55ff.
- K. Barth, "Die Kirche und die Kultur" in: ders., Die Theologie und die Kirche. Ges. Aufsätze, Bd. 2, München 1928, S. 368.
- Fr. Gogarten, Illusionen. Eine Auseinandersetzung mit dem Kulturidealismus, Jena 1926, S. 139.
- E. Mechels, Kirche und gesellschaftliche Umwelt. Neukirchen-Vluyn 1990, S. 322.
- Das die Mehrzahl der von der Kirche initiierten Ausstellungen Kunstwerken mit religiöser Symbolik verbunden bleibt, ist Ausdruck des Versuchs, sich als kulturell bedeutsam zu erweisen. Aber auch die dritte oder vierte Ausstellung zum Thema Kreuz, Christusbild etc. bedeutet keinen Schritt der Annäherung von Kunst und Kirche. Es indiziert allenfalls, dass man nicht verstanden hat, worum es in der modernen Kunst geht.
- Vgl. im Anschluss an Schleiermacher: R. Volp, "Kunst als Sprache der Religion. Ein Beitrag zur Semiotik Friedrich Schleiermachers". In: Internationaler Schleiermacher-Kongress. Hg. v. Selge, K.V. Bd. 1. Berlin/New York 1984. S. 423-438 ders., "Kunst als Sprache der Religion. Ästhetische Spurensicherung im homiletischen Prozeß". In: Düsterfeld, P. (Hg.). Neue Wege der Verkündigung. Düsseldorf 1983. S. 35-50.
- H. R. Jauß, "Über religiöse und ästhetische Erfahrung (H. Belting, G. Steiner)". Merkur 45, 1991, S. 934-946.
- Vgl. etwa G. Rombold, "Transzendenz in der Malerei des 19. und 20.Jahrhunderts". In: Pöltner/Vetter (Hg.). Theologie und Ästhetik. Freiburg/Basel/Wien 1985, S.77-89. Kunst und Transzendenz. Mit Beiträgen von R. Nahrwold, R. Piepmeier, H. Schwebel, E. Interschick und M. Nüchtern. Karlsruhe 1991. M. Plate, "Spannungsfelder: Was hat die Kunst mit Transzendenz zu tun?". Christ in der Gegenwart 44, 1992, S. 307-308. J. Simmen, "Pure Form - Spur der Transzendenz". In: GegenwartEwigkeit, a.a.O., S. 105-109. R. Volp, "Transzendenz als Prüfstein." In: Die Kunst und die Kirchen, a.a.O., S. 93-103.
- Vgl. die Kritik von P. Funken an der Ausstellung des Katholischen Kirchentages "GegenwartEwigkeit. Spuren des Transzendenten in der Kunst unserer Zeit." P. Funken, "GegenwartEwigkeit", Kunstforum 108, Juni/Juli 1990, S. 292-294.
- Mit diesen Worten beschreibt G. Schröder den Versuch des Ignatius von Loyola, mit seinen Exercitia spiritualia die freigesetzte Phantasie wieder einzubinden. Die elementare Differenz zum Protestantismus und der von ihr geförderten Subjektivierung und Individualisierung der Welt wie des Glaubens wird aus Schröders Analyse deutlich: "Die Exercitia spiritualia sind ein Analogon zu Descartes' Regulae ad directionem mentis - nur dass sie, fast in spiegelbildlicher Verkehrung, an die Stelle der Instanz des Ich die der christlichen Dogmentradition setzen, der sich das kognitive ich zu unterwerfen hat" G. Schröder, Logos und List, a.a.O., S. 255.
- J.-Fr. Lyotard, Der Widerstreit. München 1987.
- Wiewohl wir mit Calvin wissen, dass "der Menschengeist zu allen Zeiten sozusagen eine Werkstatt von Götzenbildern gewesen ist" (Institutio, I,11,8). Dass die Eifersucht auf Bilder keine protestantische Eigenart ist, belegt eine Anekdote aus dem Jahr 1958, die Werner Hofmann überliefert: "1958 war auf der Brüsseler Weltausstellung im Pavillon des Vatikanstaates ein lebensgroßes Bild von Brigitte Bardot zu sehen, das die Sünde und das Böse verkörpern sollte, ein Thema, das die katholischen Moraltheologen seit eh und je ebenso ausgiebig beschäftigt wie die Maler und Bildhauer. Die neue 'Eva' erwies sich als überraschend attraktiv, weshalb man sich genötigt sah, ihr Bild wieder zu entfernen. Die Kirche sah sich von einer Allegorie verunsichert, deren sie sich seit Jahrhunderten bedient hatte. Die Macht des Bildes zwang sie zum Bildverzicht. Einmal angerufen, hatte das Bild des Filmstars eine Wirkungsmacht entfaltet, welche dem ihm zugewiesenen belehrenden Kontext sprengte: anstatt zu warnen, verführte es. Deshalb musste es verschwinden. Insgeheim gehorchten die vatikanischen Instanzen einer Bilderangst, wie sie ähnlich auch den Ikonoklasten erfasst, der sich von der Bedrohung durch das Götzenbild befreit, indem er es zertrümmert" W. Hofmann, "Die Geburt der Moderne aus dem Geist der Religion", a.a.O., S. 24.
- G. Schröder, Logos und List, a.a.O., S. 232.
- Vgl. die erwähnten Arbeiten von H.R. Jauß, "Über religiöse und ästhetische Erfahrung", a.a.O. G. Schröder, Logos und List, a.a.O. Thomas Lehnerer, "Kunst - Selbstzweck und Totalität. Über die Autonomie der Kunst gegenüber der Religion", a.a.O. sowie L. Ferry, Der Mensch als Ästhet. Die Erfindung des Geschmacks im Zeitalter der Demokratie. Stuttgart 1992.
- L. Ferry, Der Mensch als Ästhet, a.a.O., S. 26.
- Ebenda.
- Ebenda, S. 26f.
- Ebenda, S. 35.
- G. Schröder, Logos und List, a.a.O., S. 232.
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